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Ein Blog zum Schmunzeln und Nachdenken

Ab sofort möchte ich den Besuch auf meiner Website für den interessierten Leser noch lohnender machen - Hiermit eröffne ich meinen eigenen Blog "zum Schmunzeln & Nachdenken", denn manchmal erlebe ich auf meinem Hof Geschichten, die einfach zu gut sind, um unerzählt zu bleiben ...

 

Eine Katze von wahrem Adel

Als ich noch ein Kind war, habe ich die Katzen von Bekannten meiner Eltern immer heimlich bewundert.

Es waren ausnahmslos wunderschöne Rassekassen, Tiere von wahrem Adel.

Ihr Fell fühlte sich dank regelmäßigem Bürsten an wie Samt & Seide und es schimmerte im Sonnenlicht in den prachtvollsten Farben. Diese Katzen stolzierten durch das Haus und durch den Garten wie kleine Könige durch ihr Königreich. Ihre funkelnden Augen hatten diesen ganz speziellen stolzen Ausdruck, sie wußten von der eigenen himmelhohen Überlegenheit über alle anderen Kreaturen.

Nur die weichsten Liegeplätze mit der besten Aussicht waren gerade gut genug. Gefüttert wurden diese edlen Kreaturen mit Thunfisch und Geflügelfleisch, frisch gekocht und sorgsam angereichert mit Vitaminpräparaten, versteht sich, nicht etwa Billigfutter aus der Dose oder gar Katzenkekse. Ihre Besitzer haben ihre verwöhnten Zungen Sahne aufschlecken lassen.

Es war sicherlich ein Stück weit angemessen, dass solcher Aufwand um diese Katzen getrieben wurde, immerhin waren sie von wahrem Adel.

Ihre edle Herkunft ließ sich über Generationen zurückverfolgen dank der ellenlangen Stammbäume. Da war verständlich, dass die Besitzer sich benahmen, als seien sie die Sklaven der Launen ihrer Haustiere? Ich bin noch heute überzeugt davon, dass jede einzelne dieser Katzen mehr gekostet haben wird als mancher Kleinwagen!

Vor kurzem habe ich nun von einer Freundin eine wildgeborene Streunerkatze übergeben bekommen, welche diese just zuvor am selben Tag per Lebendfalle eingefangen hatte, nachdem die abgemagerte Halbjährige offensichtlich hungrig in den Mülltonnen eines Parkplatzes nach Fressbarem suchte.

Sei es drum, ich mochte nicht nein sagen, immerhin hatte das kratzbürstige Ding sonst kein Zuhause und auf einem Pferdehof wird sich ja wohl noch ein Plätzchen für eine anspruchslose Streunerkatze finden.

Überflüssig zu erwähnen, dass es sich nicht um eine Rassekatze mit Stammbaum handelte.

Sie sah auch eher erbärmlich als stolz aus, wie sie panisch fauchend in der hintersten Ecke der Transportbox kauerte und dabei so mager und struppig war, wie eine halbwüchsige wildgeborene Streunerkatze nur irgend sein kann.

Natürlich war sie total verwurmt und deutlich unterernährt, auch von generell eher mickrigem Wuchs verglichen mit anderen halbjährigen Katzen - immerhin ist der Winkel hinter den Parkplatzmülltonen nicht der beste Ort für eine Katze, um zu einer Schönheit heranzuwachsen?

Scheu war sie obendrein, in meiner Wohnung kaum aus der Transportbox entlassen, raste die Kleine in Todesangst davon und versteckte sich im hintersten Winkel unter einem Schrank.

Ich habe ihr dann auch gleich etwas Wasser in einer Schale und daneben ein Schüsselchen Katzenkekse hingestellt, was die Streunerin sicherlich besser ernährte als alles, was sie zuvor in den Mülltonnen gefunden hatte, und mir somit angemessen erschien.

Als ich sie entwurmen wollte, was wirklich dringend notwendig erschien, habe ich hin und her überlegt, wie ich um alles in der Welt dem kleinen Wildfang die benötigten Tabletten eintrichtern könnte? Jeden Tag auf`s Neue durch die Wohnung jagen, durch Überwerfen eines Handtuches einfangen, mit roher Gewalt das kleine Schnäuzchen aufhebeln und dem panischen Kätzchen eine Tablette in den Rachen stopfen, das wollte ich dem Tier nicht zumuten.

Natürlich sah ich hauptsächlich davon ab, weil diese wildgeborenen Streuner bekanntermassen kratzen und beißen wie die Berserker und ich wollte nicht verletzt werden. Womöglich hätte mir die Katze zusätzlich zum blutigen Kratzer noch eine fiese Eiterung eingebracht, eventuell eine Blutvergiftung, wer weiß, welche Bazillen ein Tier überträgt, was hinter einer Mülltonne gelebt hat?

Katzen mögen Sahne, soviel wußte ich immerhin, und so habe ich der verwurmten Streunerin ihre täglichen Antiparasitika in einer ordentlichen Portion Sprühsahne verabreicht.

Damit habe ich die Katze super ausgetrickst und alle Wurmtabletten wurden brav gefressen. Der einzige Nachteil dieser Vorgehensweise war, dass das kleine Kätzchen seitdem jeden Tag zur gewohnten Zeit so lange herzerweichend mauzt, bis ich es eine kleine Menge Sahne schlecken lasse?

Ansonsten habe ich natürlich streng darauf geachtet, die kleine Katze nicht zu sehr zu verwöhnen. So eine Katze wird schnell zu einem mäkeligen Fresser, wenn man ihr zu viel durchgehen lässt, das ist eine wohlbekannte Tatsache!

Dumm nur, dass die Kleine wirklich sehr scheu war.

Die Vorstellung, die nächsten Jahre im schlimmsten Fall mit eine Katze zusammenwohnen zu müssen, die panisch vor mir flieht, anstatt sich streicheln zu lassen, behagte mir so gar nicht. Ich erwarte immerhin eine gewisse Gegenleistung für die täglich servierten Katzenkekse, ein bisschen Dankbarkeit finde ich da schon angemessen, immerhin hat die Kleine nur dank mir ein Zuhause?

Ich bin dann auf die Idee gekommen, dem Kätzchen Thunfisch anzubieten, den ich streng rationiert nur im Gegenzug für zunehmend zutraulicheres Verhalten serviert habe. Als Alternativen bot ich dann noch zartes Brustfleisch von Ente & Huhn an, dazu etwas Rührei.

Meine Löwenbändigungstechnik war auch tatsächlich von Erfolg gekrönt, denn schon bald fraß die Kleine zuerst immer näher neben mir, bald ließ sie sich sogar streicheln und kletterte auf meinen Schoss, um an die begehrten Leckereien zu kommen.

Leider hat sie mir dann schon bald klar gemacht, dass sie die in den ersten Tagen noch mit Heißhunger verschlungenen Katzenkekse eher weniger zumutbar fände. Immerhin hatte sie auch als ehemalige Streunerin schnell herausgefunden, dass Thunfisch und Entenbrust besser mundet als schnöse Katzenkekse?

Da sie sowieso immernoch eine sehr schlanke Katze war, mochte ich auch nicht mit aller Härte darauf bestehen, dass sie ein Futter fressen mußte, was sie so offensichtlich zutiefst verabscheute. Es erschien mir doch zu grausam, immerhin war die Kleine so arg unterernährt gewesen und eigentlich war sie immernoch recht schmal, wenn ich sie nun streichelte, konnte ich alle Knochen fühlen.

Sicherheitshalber habe ich eine Multivitamin-Multimineral-Paste gekauft und mit Freude zugesehen, wie mein Kätzchen jeden Tag eine ordentliche Portion davon wegschleckte. Das arme Schätzchen hatte doch so viel aufzuholen!

Als ich gelesen habe, dass manche Katzen im Alter gelegentlich zu Nierenproblemen neigen können, wollte ich sicherstellen, dass mein Liebling auf jeden Fall genug trinkt. Ich habe seitdem penibel darauf geachtet, jeden Tag frische Katzenmilch anzubieten, denn davon trinkt die Kleine wegen des besseren Geschmackes deutlich mehr als bei Leitungswasser.

Genaugenommen mag das Leckermäulchen so gut wie gar kein Leitungswasser mehr trinken, seit sie Katzenmilch zu schätzen gelernt hat.

Jetzt ist ein bisschen Zeit vergangen, inzwischen kann ich mit Stolz sagen, dass mein kleiner Schatz sich wirklich gemausert hat:

Sie hat ein prächtige Figur und ist eine elegante Erscheinung geworden.

Ihr Fell fühlt sich an wie Samt und Seide, wenn ich sie streichele nach dem Bürsten.

Im Sonnenlicht schimmern ihre cremefarbenen und rötlichen Flecken im sonst schwarzen Fell wunderschön. Ich denke bei diesem Anblick immer, wie aussergewöhnlich hübsch meine kleine Schönheit doch gezeichnet ist.

Wie könnte ich sie nicht verwöhnen - gerade habe ich ihr einen noch weicheren Liegeplatz arangiert, von dem sie einen besseren Ausblick haben soll. Zum Glück zeigt mein Liebling mir immer ganz genau, was er möchte und was nicht, damit ich weiß, welche Wünsche ich wann erfüllen darf.

Ihre Körperhaltung ist anmutig und stolz, wenn sie ihr Revier in meiner Wohnung abschreitet wie eine kleine bepelzte Königin ihr Königreich.

Ihre Augen haben dieses ganz spezielle Funkeln der Überlegenheit über jede andere Kreatur und diesen Blick des selbstbewußt-überheblichen Stolzes, der mir irgendwie altbekannt vorkommt, als hätte ich es vor Jahrzehnten als Kind schon einmal gesehen... gerade jetzt, wo ich darüber nachdenke, da wird mir klar:

Meine wunderprächtige Katze hat ganz eindeutig wahren Adel - obwohl oder gerade weil sie eine wildgeborene Streunerin von der Parkplatz-Mülltonne ist.

Wahrer Adel ist keine Frage des Stammbaumes. Wahrer Adel ist auch keine Frage des Kaufpreises. 

Wahrer Adel ist eine Frage der inneren Einstellung!

 

Der gut gerittene Mitteltrab

Es ist noch nicht allzu lang her, da sah ich auf dem Weg zu einem Kundentermin in einem größeren Turnierstall beim zufälligen Blick über die hölzerne Bande in eine der Reithallen eine Dressurreiterin mit ihrer jungen Warmblutstute den Mitteltrab auf der Diagonalen quer durch die Bahn üben.

Jetzt ist es so, dass die moderne Sportpferdezucht in Deutschland ohne Zweifel ein ganz hervorragend für den Leistungssport geeignetes Pferdematerial produziert hat. Mit jeder neuen Generation wurden immer beeindruckendere Gangarten erzielt, selbst im Freizeitsektor ist die Erwartungshaltung enorm gewachsen an das, was ein Pferd an Talenten mindestens mitbringen muß.

Auch diese sportliche Schwarzbraune in der Reithalle hatte ohne Zweifel die körperlichen Vorraussetzungen, einen ausgezeichneten Mitteltrab zu zeigen.

Dummerweise zeigen Pferde auch bei bester Veranlagung einen ausgezeichneten Mitteltrab nur dann im Dressurviereck, wenn sie vorher entsprechend ausgebildet werden.

So eine Ausbildung kann dauern:

Ein Pferd soll im Takt vorwärts laufen mit gleichmäßigen Bewegungen. Ein Pferd soll Losgelassenheit zeigen, sich ohne Spannungen oder Verkrampfungen bewegen. Ein Pferd soll in feiner Anlehnung sein, einer weichen Verbindung zwischen Pferdemaul und Reiterhand, die es nicht daran hindert, sich selbst zu tragen. Die Bewegungen des Pferdes sollen schwungvoll sein, anmutig und mühelos. Außerdem soll es geradegerichtet sein, im Gegensatz zur natürlichen Schiefe sich geradeaus auf einem Hufschlag bewegen, damit das Pferd durchlässig ist für die Hilfen des Reiters, was wiederum notwendig ist für eine dezente Einwirkung und fast unsichtbare Hilfengebung, was am Ende das Gesamtbild harmonischer macht.

Leider war hier das Gesamtbild deutlich weniger harmonisch, als ich es mir wünschen würde, denn die Hilfengebung war keineswegs fast unsichtbar, sondern eher grobmotorisch? Genau genommen zog und zerrte die Reiterin beständig mit so viel Kraft an bei den Zügeln, dass dem Pferd das Kinn auf die Brust gezogen wurde. Ausserdem verwarf es sich im Genick, weil es der erzwungenen zu starken Innenstellung durch Schiefhalten des Kopfes ausweichen wollte.

Dadurch machte das Pferd in der Konsequenz immer wieder Taktfehler beim Laufen und wirkte völlig verkrampft. Seinen Bewegungen fehlten Anmut und Schwung, wodurch auch die Reiterin sichtlich Schwierigkeiten hatte, den Trab locker mitschwingend auszusitzen und ziemlich unschön im Sattel herumplumpste.

Den geforderten tiefen Sitz hatte sie offensichtlich dann in Folge durch das Verlängern ihrer Steigbügelriemen zu erzwingen versucht, womit sie allerdings nur erreichte, dass ihr maximal gestrecktes Knie nun endgültig keine Chance mehr hatte auf das geforderte leichte Mitfedern in der Bewegung des Pferdes, da sie andernfalls mit dem Fuß aus dem Steigbügel gerutscht wäre, immerhin erreichte ihre Stiefelspitze diesen nur noch knapp.

Kurz, die Stute hatte - vorsichtig formuliert - eher ungünstige Vorraussetzungen, um den ausgezeichneten Mitteltrab zu zeigen, der hier gerade energisch von ihr gefordert wurde?

Denn beim Mitteltrab soll eigentlich die vorher durch vorsichtige Versammlung des Pferdes aufgenommene Energie herausgelassen werden, indem das Pferd den Rahmen und den Raumgriff der Tritte gegenüber dem Arbeitstrab erweitert.

Mangels vorher aufgenommener Energie bei gleichzeitiger Weigerung, durch auch nur minimales Vorgeben der kräftigen Zügelzug ausübenden Hammerfäuste womöglich aus Versehen eine Rahmenerweiterung zuzulassen, bemühte sich nun die Reiterin regelmäßig, ihrem Pferd das Zeigen eines seinen genetischen Möglichkeiten entsprechenden Mitteltrabes nahezulegen, indem sie ihm just in dem Augenblick, in dem es mit überhöhtem Tempo in leichter Schräglage aus der Reitbahnecke herausgedroschen kam, unter energischem Sporeneinsatz die Gerte auf den Hintern pitschte.

Immerhin wurde das Pferd dadurch auf der Diagonalen noch einmal deutlich schneller, allerdings mit einem erschrockenen "Huch" im Pferdegesicht und aus Angst vor einem weiteren Klaps eingezogenen Hintern.

Kurz, einen elegant dahergeschwebten Mitteltrab stelle ich mir irgendwie anders vor?

Jetzt habe ich die dumme Angewohnheit - im Umgang mit Pferdeleuten und auch sonst im Leben - grundsätzlich dazu zu neigen, geradeheraus zu sagen, wenn mir etwas mißfällt, besonders wenn es darum geht, dass jemand einem Tier Schaden zufügen könnte. Nebenbei bemerkt ist dies wahrscheinlich der Grund, warum ich so wenige Kunden finde, die bereit sind, mir für regelmäßige Dauernörgelei getarnt als Reitunterricht auch noch freiwillig Geld zu bezahlen?

Es kam, wie es kommen mußte, ich begegnete besagter Reiterin später noch ein zweites Mal, als sie gerade ihr Training beendet hatte und ihr erschöpftes Pferd Richtung Box hinter sich herzog. Wir kamen ins Gespräch - zu meiner Ehrenrettung muß ich sagen, dass sie mich zuerst gegrüßt hat und ich es als deutlich unhöflich empfunden hätte, diesen freundlichen Gruß unerwiedert zu lassen. Ich gebe zu, ich konnte einfach nicht anders, als in Kombination mit "Hallo" dann auch direkt die Rolle der Gerte bei ihren Bemühungen um den Mitteltrab anzusprechen.

Während um mich herum alle anderen Anwesenden erschrocken die Luft anzuhalten schienen, bekam ich eine pampige Antwort, die darauf hinauslief, dass ihr Gerteneinsatz erstens gerechtfertigt sei, immerhin habe dieses unmotivierte Nachwuchspferd viel Geld gekostet und sie erwarte zu Recht, dass es sich auch entsprechend Mühe gäbe, seine der Abstammung entsprechenden Gänge zu zeigen, um damit Schleifen von Turnieren nach Hause zu bringen.

Zweitens ritte sie regelmäßig Reitunterricht bei einer wahren Koryphäe, und von dort sei der Tipp mit dem Gertenklaps gekommen gemeinsam mit dem Hinweis, dass auf dem in Kürze geplanten Turnier die räumlichen Gegebenheiten dergestalt seien, dass die Richter die Ecke des Reitplatzes nicht einsehen könnten, in der sie die Gertenbasierte Optimierung des Mitteltrabes durchzuführen plane.

Natürlich gebe ich zu, dass es Dressurrichter geben mag, die auf dem einen Auge blind für Tierschutzfragen sind und mit dem anderen Auge nur auf die möglichst ambitioniert so etwas ähnliches wie einen Mitteltrab strampelnden Vorderfüße des Teilnehmerpferdes schielen.

Sei es drum, wir waren unterschiedlicher Ansicht von Anfang bis Ende des Gespräches und nachdem wir unserer ( getrennten ) Wege gegangen waren, gab es für mich keinen Grund, mich über unsere Meinungsverschiedenheit zu grämen.

Wobei ich zugeben muß, dass ich im Nachhinein durchaus der Situation noch überraschend viel Positives abgewinnen konnte, insbesondere nachdem die Reiterin ihre schwarzbraune Stute wie angekündigt auf dem Turnier während der Dressurprüfung in der für die Richter nicht einsehbaren Ecke des Reitplatzes mit einem Gertenschlag zum Mitteltrab motiviert hat.

Offensichtlich hat sie dabei noch ein kleines bisschen fester zugeschlagen als gewohnt, vielleicht nur, um auf Nummer sicher zu gehen, dass der Mitteltrab auch bestimmt sehr gut gelingen möge, vielleicht auch, weil sie angesichts der Turniersituation mit zahlreichen Zuschauern, kritischen Richteraugen und den in Aussicht gestellten Schleifchen ein bisschen nervöser war als üblich.

Die schwarzbraune Stute hat dann auch angesichts des Klapses beschleunigt, allerdings hat sie etwas mehr beschleunigt als üblich. Immerhin war der Gertenschlag fester gewesen als gewohnt, vielleicht war die Stute auch etwas nervös angesichts der vielen Zuschauer und der durch das Ringen um Scheifchen angeheizten Atmosphäre?

Jedenfalls hat die Stute nicht nur wie im Training ihre Trabtritte beschleunigt, sondern ist in durchaus forciertem Tempo - sprich, explosionsartig - angaloppiert. Da die Reiterin dabei wegen der sehr lang eingestellten Steigbügelriemen schon mit dem einen Fuß einen der Steigbügel verloren hatte und ein bisschen schief gerutscht war im Bemühen, wenigstens den anderen Fuß im Steigbügel zu halten, ist es ihr nicht wirklich gelungen, vor der Ecke das davonbrausende Pferd abzubremsen.

Um es kurz zu machen, die Reiterin hat ihren zweiten Bügel spätestens dann auch noch verloren, als die schwarzbraune Stute zum Sprung über den Reitplatzzaun ansetzte. Während die Stute elegant zwischen den Zuschauern landete, gelang es zwar selbigen erfolgreich, dem wildgewordenen Pferd durch panische Flucht zu beiden Seiten auszuweichen.

Leider gelang es der Reiterin nicht, den Bewegungen des Pferdes geschmeidig zu folgen. Daher purzelte sie recht unelegant aus dem Sattel und landete im Dreck, wo sie zum Glück unverletzt von den herbeieilenden Sanitätern geborgen werden konnte.

Das zeigt mir folgendes:

Erstens ist es natürlich möglich, für viel Geld ein talentiertes Nachwuchs-Sportpferd zu kaufen.

Leider bedeutet der Erwerb eines solchen Prachtexemplares jedoch noch nicht, dass man dadurch auch gleichzeitig automatisch Reiten lernt.

Zweitens liegt es zwar im Ermessen des Reiters, wann er beim Training seines Pferdes eine Abkürzung wählt, anstatt sein Tier entsprechend der Skala der Ausbildung mühsam und zeitintensiv zu fördern.

Allerdings muß der Reiter in Folge damit rechnen, dass auch das Pferd dann einmal eine Abkürzung nehmen könnte, und dass Selbige durchaus auch zum Verlassen des Turnierplatzes vor der am Ende der Prüfung erwarteten Siegerehrung führen kann. 

Drittens mag es vielleicht im ersten Augenblick als unhöflich empfunden werden, wenn ich wildfremden Menschen meine Meinung ungefragt ins Gesicht sage.

Aber das schadet gar nichts, weil besagte Reiterin gestern Abend bei mir angerufen hat, um mich um Reitunterricht zu bitten.

 

Lebensfreude

Vor einiger Zeit wurde an einem heißen Sommertag ein kleiner blauer Wellensittich bei mir abgegeben, nicht allein, sondern gemeinsam mit mehreren Artgenossen.

Mir fiel bei näherer Inaugenscheinnahme auf, dass der Kleine im Gegensatz zu seinen gefiederten Freunden ein Gesundheitsproblem hatte.

Er hatte ein bisschen Wasser im unteren Bauchbereich eingelagert. Seine kleinen Füße fühlten sich auf meiner Hand unterschiedlich warm an.

Der bisherige Besitzer erklärte, er sei wegen des vermuteten Gesundheitsproblemes bereits bei einem Tierarzt gewesen, dieser habe ein Herzproblem diagnostiziert, mit dem der Vogel zwar soweit schmerzfrei leben könnte, allerdings sei möglich, dass er ein bisschen kreislauflabiler als gesunde Artgenossen auf das hochsommerlich heiße Wetter reagieren und im allerschlimmsten Fall sogar durch Herzstillstand versterben könnte. 

Die einzige Behandlungsoption, die er angeboten habe, sei eine Euthanasie gewesen - allerdings habe er selbst nicht wirklich dazu raten wollen, da der kleine Wellensittich ja durchaus noch reichlich Lebensfreude zeige?

Ich beobachtete einen Moment den kleinen Patienten, der munter mit einem Weibchen flirtete und quietschfidel durch die Gegend düste. Es war ganz offensichtlich, dass dem blauen Zwerg seine Gesundheitsprobleme nicht klar waren und dass er schlicht und ergreifend sein Leben in vollen Zügen genoss.

Wellensittiche sind im allgemeinen viel weniger hypochondrisch veranlagt als Menschen und neigen nicht dazu, über unterschiedlich temperierte Vogelfüße ins depressive Grübeln zu verfallen.

Wellensittiche leben im hier und jetzt - der kleine Blaue machte sich folglich keine Gedanken darüber, ob ihn bei den für die folgenden Tage angesagtem noch wärmeren Temperaturen ein jäher Tod durch Herzstillstand ereilen könnte.

Er strahlte im Gegensatz eine unglaubliche Lebensfreude aus, wie er flirtete und kletterte und flatterte und tschilpte - und ich konnte nur zu gut verstehen, dass der bisherige Besitzer vor dem Gedanken zurückgeschreckt war, diesem putzmunteren kleinen Gesellen eine tödliche Spritze verabreichen zu lassen, nur um damit einem später möglichen spontanen Herztod zuvorzukommen.

Wir haben uns darauf geeinigt, dass der Kleine bei mir ins Vogelzimmer einziehen darf und zumindest solange nicht eingeschläfert wird, wie er sich so sichtlich wohl zu fühlen scheint.

Was soll ich sagen: die wärmeren Temperaturen des Hochsommers hat er gut überstanden und lebt immer noch quietschfidel sein Vogelleben.

Genau genommen ist das Jahr inzwischen so weit fortgeschritten, dass die ersten Nachtfröste des herannahenden Winters bereits hinter uns liegen. Auf das kühler werdende Wetter hat der Kleine mit einer leichten Besserung seines Zustandes reagiert: der Umfang der Wassereinlagerungen ist zurückgegangen und seine winzig kleinen Füße sind bei gemäßigtem Wetter fast gleichwarm, die Kreislaufsituation hat sich offensichtlich zumindest etwas entspannt.

Wir sind vorsichtig optimistisch, dass der Blaue vielleicht sogar bis zum nächsten Sommer stabil bleiben könnte.

Wenn es dann wieder extreme Hitzewellen mit über 40 Grad geben sollte, wenn es in deren Folge wieder zu einer Verschlechterung des Zustandes kommen würde, dann werden wir weitersehen.

Natürlich würden wollen wir den kleinen Kerl nicht quälen, und würden ihn zum Tierarzt fahren, wenn denn ...

Aber vielleicht schafft das kleine Kämpferherz unseres blauen Helden auch noch einen Sommer, wer weiß?

Es zählt für diesen Wellensittich nur das hier und jetzt.

Am heutigen Tage ist der kleine blaue Wellensittich ein sehr vergnügter kleiner Wellensittich, der putzmunter durch das Vogelzimmer düst und sich seines Lebens freut.

Ich werde einen Teufel tun, diesen kleinen blauen Wellensittich schon heute einfach nur wegen einer Diagnose mit ungünstiger Langfrist-Prognose einschläfern zu lassen, solange er heute noch so derart putzmunter durch das Zimmer fliegt und nichts weiter im Sinn zu haben scheint, als sich mit seinen Wellifreunden zu amüsieren.

Denn um wie vieles ärmer wäre unsere Welt, wenn ich ihr die große Freude nehmen würde, die dieser kleine blaue Wellensittich darüber empfindet, auch den heutigen Tag mit all`seinen Abenteuern noch erleben zu können?

 

Der perfekte Hund

Ich habe vor kurzem dank der Vermittlung eines Tierschutzvereines einen neuen Hund adoptiert, einen anderthalbjährigen Rüden.

Natürlich habe ich mir die Entscheidung nicht leicht gemacht. Im Allgemeinen ist diese Entscheidung für ein neues Familienmitglied schon keine einfache, aber in unserem Fall besonders schwierig.

Immerhin sollte der Neue in die sehr großen Fußstapfen meines kurz zuvor verstorbenen alten Rüden treten, meines Lieblings.

Gerade das machte die Auswahl eines neuen Hundes so schwierig, denn immerhin ging es um nicht weniger als darum, einen adäquaten Ersatz zu finden für einen fabelhaften, was sage ich, den perfekten und überhaupt weltbesten aller Hunde, den ich verloren hatte.

Der perfekte und überhaupt weltbeste aller Hunde, das ist mein alter Rüde ohne jeden Zweifel gewesen.

Er hätte mich mit seinem Leben verteidigt.

Unerreichbar für jeden potentiellen Neuzugang war die spezielle Art des fabelhaften Alten, meine Gedanken zu erraten und mir jeden Wunsch förmlich von den Augen abzulesen, um Befehle auszuführen, bevor ich sie ausgesprochen hatte, nur um mich zu erfreuen, denn das war in unseren gemeinsamen Jahren das Ziel aller seiner Handlungen, wie es mir im Nachhinein scheint ...

Damals, als ich diesen perfekten Hund adoptierte, nun, ich gebe es nicht gern zu, aber er hat sich erschreckt und mich in den Arm gebissen, an unserem allerersten gemeinsamen Tag, als ich ihn gerade Anleinen und aus dem Tierheim abholen wollte.

Kaum im neuen Zuhause angekommen, hat er meine armen Katzen erschreckt. Außerdem hat er in die Wohnung gepinkelt, das nicht nur einmal.

Auch erwähnen muß ich den jahrelang gepflegten Rasen in meinem Garten, der war nach seinem Einzug leider nie wieder so wie vorher, denn durch unermüdliches Ablaufen der immer gleichen Routen über den Rasen entstanden auf selbigem zahllose schlammige Trampelpfade, auf denen nie wieder ein einziger Halm gedeihen wird.

Trotzdem besteht für mich überhaupt kein Zweifel daran, dass dieser alte Rüde der perfekte weltbeste Hund war. Jeder, der ihn erlebt hat, könnte das bestätigen. Er war einfach fabelhaft!

Wobei ich auch viele Komplimente bekomme für meine ältere Hündin.

Meine ältere Hündin gehorcht auf`s Wort und beherrscht wirklich viele verschiedene Tricks und Kunststückchen, die ich ihr alle beigebracht habe. Damit bringt sie die meisten Menschen im Bekanntenkreis spontan dazu, sie für den perfekten Hund zu halten.

Nur sie hat diesen wilden Eifer des fabelhaften Wachhundes, im Garten stets als Erste im Rudel jeden Passanten wütend und langanhaltend anzubellen, um trotzdem sofort zu verstummen, wenn ich sie darum bitte.

Wenn ich ehrlich bin, ist sie auch wirklich ein perfekter Hund, auf ihre Art die weltbeste Hündin, die ich mir wünschen könnte, ein fabelhafter Begleiter in allen Lebenslagen.

Anfangs als immer hungriger Straßenhund kaum bei mir eingezogen hat sie eventuell ein kleines bisschen dazu geneigt, Essen vom Tisch zu stehlen.

Im Zahnwechsel hat sie Stuhlbeine angekaut und an der Holztreppe geknabbert, ein Teil des Geländers wurde Opfer ihrer Zähne, ebenso ein Teppich, denn dessen Fransen abzuzupfen war ihr größtes Vergnügen. In einer ganz schlimmen Phase hat sie sogar den Putz von der Wand gekaut, allerdings nur, wenn sie nachts Langeweile hatte, während ich schlief.

Man könnte ihr den Vorwurf machen, dass sie sich nicht von Fremden anfassen lassen mag, aber das ist immerhin nicht ihre Schuld, sondern liegt an der unzureichenden Sozialisation einer Welpenzeit im Ausland auf der Straße.

Im Garten hat sie trotz ausreichender Ernährung mit hochwertigem Hundefutter bei bereits beginnendem Übergewicht so lange von den Bäumen gefallene Nüsse geknackt und gefressen, bis wir ihr einen durch harte Nussschalen geborstenen Backenzahn ziehen lassen mußten. Das war zum Glück nicht so schlimm wie die große Bauch-OP, die erforderlich wurde, um zahlreiche im Welpenalter gefressene Steine aus ihrem Magen-Darm-Trakt zu entfernen.

Ungern muss ich bekennen, dass sie sich bis heute bevorzugt in Wildschweinkot wälzt.

Trotzdem kann es keinen Zweifel geben, dass sie ein perfekter Hund ist. Sie ist die Weltbeste!

Wobei meine jüngere Hündin auch wahrlich fabelhaft ist.

Für den von mir ausgeübten Zugsport ist sie hervorragend geeignet. Bei unseren Bikejöring Wauztouren, beim Canicross oder beim Skijöring, sie ist immer ein wunderbarer Leithund. Sie arbeitet unermüdlich, sie folgt jedem Befehl und weiß immer, was ich von ihr möchte.

Kaum wieder daheim und bei mir in der Wohnung, observiert sie mit glühendem Eifer des stets wachsamen Schäferhundes durch die Fenster die Straße und kündigt mir jede Annäherung eines Fremden diskret durch leises Knurren an.

Sie ist der perfekte und weltbeste Hund, sie ist fabelhaft.

Wobei ich leider zugeben muß, dass sie anfangs manchmal ein ganz kleines bisschen zwangsneurotisch war und leicht melodramatisch dazu neigte, sich gellend schreiend auf den Boden zu werfen, um sich dort liegend bzw. in Krokodils-Todesrolle-windend in eine Art wildgewordene Hysterie hineinzusteigern. Zum Glück praktizierte sie dies nur bei wenigen Anlässen, also zum Beispiel, wenn ich versuchte, sie zu bürsten, oder ein Geschirr anzulegen, sie festzuhalten, ok, da hatte sie anfangs Tobsuchtsanfälle, die den unvorbereiteten Zuschauer schon mal leicht erschrecken konnten.

Kein anderer Hund hat so oft ins Auto gekotzt wie diese Hündin.

Wegen ihr sind etliche Blumentöpfe zerbrochen, weil sie bei jedem Geräusch versucht hat, oben aus dem Fenster zu gucken, und dann in ihrer wuseligen Art alles umwarf. Das alles ist natürlich nicht ihre Schuld gewesen, sie hatte es nur einfach im Tierheimzwinger noch nicht gelernt, wie man souverän mit dem Leben in der Aussenwelt umgeht, und litt unter der Reizüberflutung?

Sie würde alles fressen, was sie im Katzenklo findet, zur Not inklusive der Klumpstreu.

Ausserdem hat sie vielleicht ein bisschen die Wohnungstüren mit den Krallen ihrer Vorderfüße verkratzt, weil ihr jugendlicher Übermut leider anfangs nicht zu meiner eher langsamen Art, Türen zu öffnen, passen wollte.

Es ist wirklich inzwischen deutlich besser geworden, sie ist mit den Jahren auch insgesamt ruhiger geworden und so eine ganz besonders Liebe. Sie ist wirklich fabelhaft, ich bin froh sie zu haben, sie ist der perfekte weltbeste Hund.

Dann habe ich auch noch den kleinen Rüden, bisher der Jüngste im Rudel, den finden wirklich alle Menschen überaus liebreizend, denn er ist ungewöhnlich anschmiegsam und ein ganz besonders fröhlicher Hund.

Er ist ein perfekter Hund.

Ich gebe zu, dass er am Anfang mit Größenwahnsinn im Blick jeden anderen Hund angepöbelt hat - eigentlich auch alles andere, was sich irgendwie bewegte oder auch unbewegt in sein Blickfeld geriet.

Er war von Beginn an passionierter Mäusebuddler und hat mehrere meiner mühsam gezüchteten Rosen dadurch genauso erbarmungslos zerstört wie die Tomaten im Hochbeet oder unsere Himbeerbüsche.

Ich habe sogar eine kleine Narbe am Bein, weil er mich dort beim ersten Spaziergang gebissen hat wutentbrannt darüber, dass ich ihm eine soeben ausgebuddelte Maus nicht gönnen wollte.

Einem ehemaligen Straßenhund darf man solches Verhalten natürlich nicht ankreiden. Immerhin hat der arme kleine Kerl vielleicht womöglich eventuell im Ausland nur gerade wegen seiner Mäusejägerqualitäten überlebt und mußte jede Beute erbittert gegen die Nahrungskonkurenten verteidigen?

Leider hat er auch die Tapete in mehreren Zimmern beschädigt, weil er lustig fand, sie in langen Streifen von der Wand abzuknibbeln.

Er hatte panische Angst vor dem Treppensteigen, außerdem vor den Menschenstimmen in Radio & Fernsehen, die er keinen anwesenden Personen zuordnen konnte.

Außerdem hat er Löcher in den Maschendrahtzaun gekaut, um aus dem Garten auszubrechen und im angrenzenden Paddock Pferdeäppel zu fressen.

Er frißt auch gern vom Pampasgras im Garten und kotzt danach bevorzugt auf den edlen Parkettfußboden im Kaminzimmer anstatt auf die deutlich unempfindlicheren Fliesen im Wintergarten. 

Er hat kurz nach seinem Einzug bei uns die komplette Kunstleder- Innenverkleidung der hinteren Tür meines Autos abgefressen, als er das erste Mal ein Viertelstündchen im geparkten Auto auf mich warten sollte. Ich unterstelle zu seiner Ehrenrettung, dass er wohl sicherlich als traumatisierter Tierschutzhund unter Verlassensängsten litt und folglich gar nicht anders konnte, als mein Auto zu beschädigen.

Inzwischen wird er langsam erwachsener und meine Erziehungsbemühungen fangen an, Früchte zu tragen. Zum Beispiel gräbt er in meinem Garten wirklich nur noch dann nach Mäusen, wenn er glaubt, dass ich ihn dabei nicht beobachte.

Ich muß sagen, er hat sich am Ende tatsächlich als der fabelhafte und weltbeste Hund entpuppt, den ich mir nur wünschen kann.

Er läuft am Rad oder begleitet mich zu Fuß überall hin. Er ist absolut unkompliziert und sehr verspielt und absolut verträglich mit jedem, er ist ein Kuscheltyp und unglaublich flauschig-streichelsympathisch.

Der Kleine ist wirklich der perfekte Hund!

Unter dem Strich habe ich bisher mit meinen Hunden wirklich riesiges Glück gehabt, das kann ich mit großem Stolz sagen. Jeder von ihnen ist auf seine Art ein perfekter Hund und wirklich fabelhaft!

Gerade darum ist mir die Entscheidung für einen neuen Hund wirklich schwer gefallen. Immerhin ist doch die Chance rein statistisch sehr gering, noch einen weiteren Hund zu finden, der annähernd so großartig wie seine Wauzkollegen sein könnte?

Jetzt ist also der neue Jungrüde seit ein paar Tagen bei uns eingezogen. Ich hatte wie erwähnt anfangs meine Bedenken.

Was soll ich sagen:

Er hat diese Woche Fetawürfel von der Küchenzeile geklaut und in der Woche davor mein Käsebrot vom Esstisch.

Er spielt ziemlich wild in der Wohnung, er hat dabei heute einen großen massiven schweren Tisch derart angerempelt, dass eine darauf stehende Blumenvase umgeschmissen und alles geflutet wurde inklusive meiner Lernunterlagen und zweier Bücher.

Er hat gestern wieder mal nicht brav abgewartet, bis ich ihn mit dem Handtuch nach der Gassirunde abgerubbelt hatte, sondern ist mit seinen schlammverschmierten Füßen über den sauberen Fußboden direkt hochgerannt ins Schlafzimmer und hat sich genüsslich in meinem frisch bezogenen Bett gewälzt, um seinen Matschbauch an meinem Kopfkissen abzutrocknen.

Er hat eine Rechnung angefressen, die ich für die Steuer benötige.

Er springt jaulend an meinem Mann hoch, verschmutzt mit seinen Dreckpfoten die guten Sakkos und zwickt ihn in die Hände, wenn dieser müde aus dem Büro nach Hause kommt - jeden Tag wieder, immerhin will er sicherstellen, als Erster ausgiebig begrüßt zu werden.

Er hat eine komplette Rolle Toilettenpapier abgerollt und in feinste Fetzen zerrissen, um selbige in der ganzen Wohnung zu verteilen.

Er hat meinen Kater zu Tode erschreckt mit seinen aufdringlichen Versuchen, ihm am Hintern zu schnuppern.

Ich finde, er entwickelt sich großartig und ich glaube, er passt wunderbar zu meinem Rudel und in unsere Familie.

Vielleicht braucht er noch ein kleines bisschen Zeit, um etwas erwachsener zu werden und alles das zu lernen, was ein fabelhafter Nachwuchshund eben im Schnöselalter erst noch lernen muß. So viel Zeit sollte man doch sicherlich jedem neuen Hund zugestehen?

Ich glaube, wenn ich ihm nur die Chance dazu gebe, wird er der weltbeste und perfekte Hund.

 

Über die Freiheit, eigene Entscheidungen treffen zu dürfen

In diesem Frühjahr habe ich wie jedes Jahr die durch Todesfälle frei gewordenen Stallplätze an neue Gnadenbrotpferde vergeben und somit mehrere neue Pferde in meine Herde eingliedern müssen.

Je nachdem, aus welcher Art von Haltungssystem die Pferde zu mir kommen, sind die Besitzer mal mehr, mal weniger besorgt über den Ablauf dieser Eingliederungsphase. Da ich immer davon ausgegangen bin, dass die Besitzer ihr Pferd nach langen gemeinsamen Jahren besser kennen als ich, habe ich mich bei der Eingliederung immer danach gerichtet, was die Besitzer vorschlugen.

Dieses Jahr hatte sich die Besitzerin eines bis dato Boxpferdes dafür ausgesprochen, dass ihre Stute erstmal in meiner Krankenbox eingestallt werden sollte, wo allein durch drei kleine Fenster ein Kennenlernen der neuen Herdenmitglieder durch nasonasalen Kontakt möglich war.

Die neue Stute kam, die neue Stute wurde für die ersten Tage in die Krankenbox einquartiert, dann unter Aufsicht eine Runde allein die Auslaufanlage erkunden, tags drauf mal ein Stündchen zum Antesten zu den alteingesessenen Bewohnern gelassen, mit Argusaugen bewacht, versteht sich ...

Alles lief nach Plan bis zu dem Punkt, wo die Stute am Ende des Kennenlernstündchens wieder in die Box zurückkehren sollte. Madamchen ließ sich zwar brav hineinbugsieren, aber hatte schon so einen Gesichtsausdruck, der mich vermuten ließ, dass sie lieber bei den neuen Freunden draußen geblieben wäre? Ich schloss die Türe hinter ihr, drehte mich zum Gehen in der sicheren Gewissheit, das sonst stets hungrige Tier werde gleich begeistert über sein Futter herfallen ... Pustekuchen!

Ein unerwartetes Geräusch aus Richtung Box hinter mir ließ mich zusammenzucken und zurückdrehen, und mir stellten sich förmlich die Nackenhaare auf bei dem Anblick, der sich mir bot:

Die durchaus nicht so klein gewachsene Stute hatte entschieden, dass es draußen bei der vor dem Fenster stehenden Herde viel lustiger als in der langweiligen Box sei und daher beschlossen, aus dem nicht so großen Fenster einfach wieder hinauszuspringen. Dummerweise hatte sie zwar vorher korrekt berechnet, dass sie die untere Fensterkante höhenmäßig locker schaffen würde, aber leider nicht berücksichtigt, dass der eigene Plautzenumfang und das Format des Fensters in einem vorsichtig formuliert eher ungünstiegen Verhältnis zueinander standen. Im Endergebnis steckte die junge Dame fest, Vorderbeine und Kopf baumelten draußen, während der Allerwerteste noch in der Box hing.

Bevor ich jedoch meinerseits Ideen entwickeln konnte, wie um alles in der Welt das feststeckende Pferd zu befreien sei, ruckelte die Stute sich soweit zurück in die Box, dass die Hinterhufe wieder Bodenkontakt erreichten, stieß sich kräftig ab und purzelte mit einer Vorwärtsrolle in den weichen Sand zwischen die Pferdekollegen, die sie mit einer Selbstverständlichkeit in ihrer Runde begrüßten, als habe man eben noch verabredet, dass die junge Stute nach 2 Minuten zurück sein werde.

Bevor die Gruppe um die Gebäudeecke herum davonmarschierte, warf die Stute mir einen Blick zu, in dem ich unschwer lesen konnte:"Sorry, aber draußen ist viel besser als eingesperrt in der Box?!" Offensichtlich hatte die Besitzerin aus Sicht ihres Pferdes eine sehr gute Wahl getroffen, als sie sich für den Umzug in meinen Aktivoffenstall entschied - wir hatten nur die benötigte Eingliederungszeit falsch eingeschätzt?

Überflüssig zu erwähnen, dass ich die behufte Kunstturnerin wohl kaum ein zweites Mal in diese Box sperren wollte und ihr daher ihren Willen lies - auch wenn sie keinen einzigen Kratzer davongetragen hat, legte ich doch keinen gesteigerten Wert darauf, dass die Stute erneut einen halsbrecherischen Ausbruchsversuch startete. Interessanterweise war die Einschätzung der Stute über die erfolgreich verlaufende Integration in meine Herde durchaus zutreffender als meine weniger optimistische Einschätzung.

Ich habe für mich danach das Fazit gezogen, den Tieren in meiner Obhut mehr eigene Entscheidungen zuzutrauen beziehungsweise zu ermöglichen. 

So bin ich dazu übergegangen, meinen Pferden durch Anbieten zweier Möglichkeiten zum Anstupsen die Frage "entweder oder" zu stellen, welche Decke sie aufgelegt bekommen möchten, oder ob sie lieber Knotenhalfter für Bodenarbeit oder Trense für Reiten anziehen möchten etc ...

Meine bisherigen Erfahrungen damit sind durchweg positiv, nicht nur weil das Pferd selbst immernoch am Besten weiß, ob ihm gerade kalt oder warm ist, sondern auch beim Training sind meine Pferde viel motivierter bei der Sache, wenn sie die Aufgabe vorher selbst auswählen durften. Da ich kein Turnierreiter bin, ist mir am Ende des Tages unwichtig, womit wir unsere gemeinsame Zeit verbracht haben, die Hauptsache ist immer, dass wir Spass zusammen hatten?

Vielleicht genießen wir alle gern die Freiheit, eigene Entscheidungen treffen zu dürfen ...

 

Recht auf Teilhabe

Vor einigen Monaten habe ich einen kleinen grauen Nymphensittichhahn namens Rocky von einer sehr engagierten Dame gebracht bekommen. Sie hatte den kleinen Kerl zuvor in bedauernswertem Zustand aus einer indiskutablen Einzelhaltung gerettet, leider erst nachdem ein Raubtier ( Marder? Katze? ) ihn schwer verletzt und ihm den halben rechten Flügel und den größten Teil seiner Zehen abgebissen hatte.

Die Fähigkeit zu Fliegen, die Vögel im allgemeinen doch ausmacht - völlig unmöglich für den armen kleinen Kerl, der zu allem Elend mit seinen verkrüppelten Füßchen nicht einmal normal klettern konnte. Hinzu kam, dass er durch die jahrelange Einzelhaltung beim Erstbesitzer schwere Verhaltensstörungen aufwies, jede noch so keine Veränderung löste hysterische Schreianfälle aus, vor mir hatte er Todesangst, selbst auf nett gemeinte Annäherungsversuche einer an ihm freundlich interessierten Henne reagierte er mit Beißattacken.

Eigentlich war die Gesamtsituation nach seinem Einzug in mein Vogelzimmer eine völlige Katastrophe, denn Rocky saß in einer Zimmerecke auf dem Fussboden und schrie Zeter & Mordio. Ich habe häufiger mal Neuzugänge im Vogelzimmer, auch immer wieder flugunfähige Tiere oder Einzelhaltungs-Opfer mit Verhaltensdefiziten, und alle haben sich problemlos eingelebt und binnen kürzester Zeit sichtlich wohl gefühlt. Ich hatte noch nie einen Neuzugang im Vogelzimmer erlebt, der so hartnäckig alles schrecklich fand, was ich versuchte, für ihn zu tun:

Ich brachte Futter und Wasser, Rocky schrie. Ich fegte & wischte den Fußboden, Rocky schrie. Ich hängte frische Äste ins Zimmer, ich putzte Fenster, ich brachte Spielsachen, Rocky schrie. Rocky schrie aber auch dann wie am Spieß, wenn ich gar nicht im Zimmer war, weil dann offensichtlich gerade irgend ein anderer Vogel irgend etwas tat, was Rocky schrecklich fand.

Doch während ich irgendwann kurz davor war, Rocky einzustufen als "der wird sich niemals ändern, nichts, was ich irgend tun könnte, wird jemals reichen, um aus dem gestörten Nervenbündel Rocky einen zufriedenen Vogel zu machen", blieben die anderen Nymphensittiche einfach hartnäckig dabei, den kleinen Schreihals als völlig normal zu behandeln.

Für mich anfangs völlig unerklärlich hat sich sogar eine Nymphiehenne trotz besserer Angebote von wesentlich charmanteren Partnern dafür entschieden, Rockys Frau sein zu wollen und der Nervensäge die Treue zu halten, obwohl das für sie nichts brachte als tagtäglich Prügel zu beziehen, denn natürlich konnte auch sie Rocky nichts Recht machen?

Doch das skurile Paar zog sogar noch weitere Artgenossen an - die dann in friedlicher Eintracht um den grauen Wüterich versammelt auf dem Fußboden saßen und denen es ominöserweise überhaupt nichts auszumachen schien, dass Rocky jeden anschrie und alles in Reichweite zu beißen versuchte.

Inzwischen weiß ich, dass Rocky seinen Namen zu Recht von seiner Retterin erhielt, denn er ist zwar körperlich klein, aber in tiefster Seele ein Kämpfer, der nicht aufgibt bis zum Happy End.

Rocky lebte seit gut einem Vierteljahr bei mir im Vogelzimmer, als ich ihn das erste Mal seine Henne zärtlich kraulen sah.

Rocky ist inzwischen längst nicht mehr der nervige Schreihals auf dem Fußboden, er turnt selbstbewußt die Äste hinauf und hinunter, frißt genüsslich auch die Gemüse- und Obstsorten, deren Anblick ihn anfangs panisch vor Angst schreien ließen, und nimmt rege am Sozialleben teil. Denn inzwischen hat er nicht nur gelernt, innerhalb des Schwarmes zahlreiche Freundschaften zu pflegen, sondern sich auch alles andere abgeguckt, wie ein anständiger Nymphensittich sich ansonsten zu verhalten hat.

Rocky wird wohl immer ein Vogel mit körperlichen Handicaps sein - aber er ist inzwischen so zufrieden, wie ein flugunfähiger Sittich nur sein kann, und das wohl nur deswegen, weil er ein vollwertiges Mitglied des Schwarmes werden durfte und trotz seiner körperlichen Behinderungen & seines teils skurilen Verhaltens von den anderen Nymphensittichen vom ersten Moment an als einer der ihren akzeptiert wurde.

Vielleicht könnten wir alle noch eine Menge lernen davon, einen Schwarm Nymphensittiche dabei zu beobachten, wie selbstverständlich sie einem behinderten Artgenossen Teilhabe am Schwarmleben ermöglichen ...

 

Vom Saulus zum Paulus

Vor einiger Zeit habe ich einen Anruf bekommen von einem Herrn, der gern 4 in die Jahre gekommene Hühner auf meinem Gnadenhof abgeben wollte - im Prinzip nichts Ungewöhnliches, immerhin besteht unsere bunte kleine Hühnerschaar aus lauter auf dem einen oder anderen Wege geretteten Hühnchen, aber für mich war dieser Fall trotzdem etwas besonderes:

Der Besitzer der Hühner war gelernter Schlachter und hatte sein Leben lang in diesem Beruf gearbeitet. Als die endgültige Aufgabe der Hühnerhaltung zum Thema wurde, erwarteten folglich die Nachbarn, dass die Hühner von ihrem Besitzer geschlachtet und im Rahmen eines geselligen Beisammenseins als Brathendl serviert werden sollten.

Doch der Besitzer war inzwischen von Saulus zum Paulus geworden und hatte für sich entschieden, dass keine weiteren Tiere durch seine Hand sterben sollten, nie wieder wollte er ein Tier töten, schon gar nicht das eigene Federvieh ... und so brachte er die Hennen zu uns auf den Gnadenhof, damit sie ihr Leben in Frieden leben und vor den Bratröhren und Suppentöpfen dieser Welt sicher sein sollten.

Den gefrässigen Nachbarn jedoch plante er als Ersatz heimlich gekaufte namenlose Tiefkühl-Hähnchen zu servieren, damit es keinen Streit gäbe, immerhin müsse man miteinander auskommen in der Nachbarschaft ...

Ich habe hinterher lange nachgedacht über zwei Aspekte dieser Geschichte:

Erstens, wie wunderbar es ist, wenn ein Mensch nach vielen Jahren seine Einstellung und damit sein ganzes Leben ändert, um zum Tierschützer geworden seinen Hühnern das Leben zu schenken. Natürlich rettet er damit nur einige wenige Hühner im Vergleich zu vielen anderen, die dieses Glück nicht haben - aber für seine Hühner bedeutete diese gute Tat die ganze Welt!

Zweitens, wie viel müsste sich noch ändern auf dieser Welt, damit es möglich wäre, den Nachbarn beim geselligen Beisammensein statt heimlich gekauftem Tiefkühl-Hähnchen eine Gemüsepfanne mit Tofu zu servieren und diese ohne Rechtfertigungsdruck gemeinsam verspeisen zu können?

 

Das Terror-Shetty

Bei meiner Arbeit mit Problempferden erlebe ich immer wieder, dass die Besitzer im telefonischen Vorgespräch die Ursache der Schwierigkeiten mit einem Pferd ganz anders einschätzen als ich beim späteren Kennenlernen vor Ort.

Gerade kürzlich habe ich ein Telefonat geführt, in welchem mir wortreich geschildert wurde, man habe im guten Glauben ein hübsches kleines braunweiß geschecktes Shetty für die kleine Tochter gekauft von einem offensichtlich betrügerischen Vorbesitzer.

Das als angeblich in jeder Lebenssituation absolut brav verkaufte Pony habe sich jedoch inzwischen als wahres Terror-Shetty entpuppt. Es sei schlichtweg unmöglich, dem Biest die Hufe zu pflegen, da es bei jedem Versuch, einen Huf aufzuheben, sich wahlweise komplett auf den Boden werfe, kerzengerade in die Luft steige oder bösartig in alle Richtungen austrete.

Selbst den inzwischen dringend überfälligen Hufschmied habe man sich bisher nicht getraut zu rufen, immerhin sei es hochpeinlich, dass dieses Problem so hartnäckig nicht in den Griff zu kriegen sei angesichts der Tatsache, dass beide Eltern als langjährig erfolgreiche Turnierreiter mit stets mehreren hervorragend erzogenen Warmblütern im eigenen Stall bekannt seien!

Angesichts der Dringlichkeit einer baldmöglichst nachzuholenden Hufpflege vereinbarten wir direkt am Folgetag einen Termin, an dem ich vor Ort versuchen sollte, das Terror-Shetty in den Griff zu bekommen.

Als ich auf den Hof fuhr, traute ich meinen Augen kaum, denn auf dem hofeigenen Reitplatz ritt völlig ohne jede Schwierigkeiten die kleine Tochter besagtes geschecktes Shetty gemütlichen Schrittes in die Runde. Überflüssig zu erwähnen, dass die Reiterin weder so wirkte, als ob sie besonders sattelfest sei, noch hätte ich ihr umfassendere Fähigkeiten als Drachenbändigerin zugetraut, immerhin schien sie gerade erst knapp das Grundschulalter erricht zu haben?

Als sie mich bemerkte, winkte sie mir zu und hielt das Pony an, um anschließend unter Gekicher langsam über den Po des tiefenentspannt ruhig stehenden Ponys hinabzurutschen. Nach einer von Herzen kommenden innigen Umarmung des Ponyhalses als Dank für seinen treuen Dienst als Reittier fasste sie das Zügelende und hopste vom Reitplatz über den Hof zum Putzplatz im Stallgebäude, wobei das sehr zufrieden wirkende Shetty am durchhängenden Zügel eifrig hinterhertrippelte und sich am Zielort angekommen brav anbinden ließ. 

Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits felsenfest davon überzeugt, dass dieses kleine moppelige braunweiß gescheckte Shetty nicht nur über ein Herz aus Gold, sondern auch über eine mit Auszeichnung absolvierte Ausbildung als professioneller Babysitter für kleinwüchsige Reitanfänger verfügen müßte.

Was mir dagegen große Rätsel aufgab war die Frage, wieso jemand ein Problem mit diesem überaus liebenswürdigen Pony haben könnte, immerhin hatte es sich mir nur von seiner allerbesten Seite gezeigt?

Dann erschien der Vater des Mädchens - etwa anderthalb Köpfe größer als ich, Schultern breit wie ein Bobybuilder und Hände riesig wie Bärenpranken - und sein Auftritt erklärte nun wirklich restlos alles.

Unter wortreichen Erklärungen wurde zuerst das große Schiebetor am Stalleingang verschlossen, um der Bestie die Fluchtmöglichkeiten zu nehmen. Danach wurde zwecks besserer Beherschung der Kreatur die Länge des Anbindestrickes auf etwa die Hälfte gekürzt, wobei Shetty und Vater sich bereits mißtrauisch beäugten. Man kannte sich, soviel war klar!

Nach kurzem Taxieren des Gegners schoss der Vater herab wie ein angreifender Raubvogel und packte mit festem Griff beider Bärenpranken den linken Vorderhuf des panisch ausweichenden Ponys, um ihn sogleich emporzuzerren und auf seinem Oberschenkel zu fixieren.

Das Shetty stieg im selben Moment kerzengerade in die Luft und warf sich dann unter heftigem Strampeln mit allen 4 Beinen auf die rechte Pobacke. Das war ungefähr der Zeitpunkt, wo der Vater den Huf loslassen mußte und eine Ausweichbewegung initiierte, die jedoch durch das geschlossene Schiebetor behindert wurde. Zu spät, das Shetty war bereits aufgesprungen, warf sich herum und trat energisch mit beiden Hinterbeinen gegen den Vater aus - Volltreffer!

Mein Eingreifen beendete abrupt den 2.Akt des Dramas, der soeben vom Vater durch den Griff zu einer langen Dressurgerte eingeläutet wurde.

Ich bat den Vater mit ruhiger Stimme, ob er mir bitte seinen Warmblüter in der Box vorn rechts zeigen könnte.

Nicht ohne Stolz wurde mir der hochgewachsene Dunkelfuchs präsentiert, und natürlich konnte der Vater gar nicht anders, als mir zu demonstrieren, wie fabelhaft erzogen sein eigenes Reitpferd die Hufe gab. Tatsächlich brauchte es noch nicht einmal ein Stallhalfter, souverän ließ der Fuchs seinen Huf von seinem Besitzer auf dessen Oberschenkel hochziehen.

Dann habe ich gefragt, ob dem Vater vielleicht außer der Fellfarbe noch ein weiterer Unterschied auffiele zwischen dem Schecken und dem Fuchs?

Nach etwas Hilfe meinerseits durch Andeuten der verschiedenen Widerristhöhen durch Handbewegung fiel dem Vater sehr schnell auf, dass das Shetty mit 90cm deutlich kleiner sei als sein Warmblüter mit 185cm Stockmass.

"Richtig erkannt - was folgt daraus?" war meine Antwort mit gen Himmel verdrehten Augen.

Es war ihm wenig später dann selbst peinlich zugeben zu müssen, dass weder er noch seine Frau je auf den Gedanken gekommen waren, dass ein winziges Shetty selbst bei bestem Willen körperlich schlicht nicht in der Lage sein könnte, seinen Huf genau so hoch zu heben wie ein mehr als doppelt so großes Warmblut ...

Denn natürlich war es mühelos möglich, dem sichtlich erleichterten Shetty die Hufe zu Pflegezwecken aufzuheben, wenn man dabei eine seiner Ponygröße angepasste Höhe wählte, anstatt den Huf hochzuzerren auf Oberschenkelhöhe seines hühnenhaften Herrn, was immerhin fast der Rückenhöhe des überforderten Ponys entsprochen hatte!

Ich habe danach noch lange darüber nachgedacht, dass wir alle viel öfter unsere Anspruchshaltungen überdenken sollten, anstatt sofort zur Gerte zu greifen, wenn Pferde angesichts zu hoher Anforderungen in eigentlich allzu gut nachvollziehbare Streikhaltung verfallen - ist nicht im Gegenteil viel mehr immer wieder erstaunlich, wie oft sich unsere Pferde aus Großherzigkeit & Liebe uns gegenüber allergrößte Mühe geben, die an sie gestellten Aufgaben trotz Überforderung noch bestmöglich erfüllen zu wollen?

 

Katzenwäsche

Mich erreichte vor nicht allzu langer Zeit der Anruf einer panischen älteren Dame: "Gut, dass ich Sie erreiche, weil Sie kennen sich doch mit Katzen aus?"

Als ich zögernd bejahte, platze sie auch schon mit ihrem Problem heraus: "Ich war eben im Badezimmer und habe die Waschmaschine eingeschaltet. Dabei habe ich völlig übersehen, dass die Katze noch darin war. Ich lasse nämlich immer die Tür offen stehen, weil die Katze so gern in der Wäsche eingerollt schläft! Was mache ich denn jetzt?!"

Ich fühlte mich zwar etwas überfordert von diesem Problem, habe aber tapfer nachgefragt, ob die Katze denn wohl noch atmen würde?

Die Besitzerin antwortete, dass sie das schlecht sehen könnte.

Dann habe ich gefragt, ob sie vielleicht mal fühlen könnte, ob die Katze noch Puls hätte?

Die Dame antwortete, dass sie nicht in der Lage sei, die Katze anzufassen.

Damit fiel die von mir angedachte Anleitung zur Reanimationsversuchen wohl ins sprichwörtliche Wasser?

Ich fühlte mich inzwischen völlig überfordert und gab das dann auch offen zu:"Ich weiß nicht, wie ich Ihnen da weiterhelfen könnte - so aus der Entfernung ist das alles ein bisschen schwierig?"

Die Dame zeterte ins Telefon:"Sie sollen mir sagen, was ich tun soll?! Meine arme Katze sitzt in der Waschmaschine - und die guckt schon ziemlich böse, weil immer mehr Wasser reinläuft und sie nicht nass werden will! Jetzt sagen Sie mir endlich, was ich tun soll?!"

Ich hatte einen Geistesblitz:"Wo befindet sich die Katze jetzt, in diesem Moment? Befindet die Katze sich jetzt, in diesem Moment, während wir telefonieren, etwa immernoch in der laufenden Waschmaschine?!"

Zögerlich kam von der anderen Seite der Leitung:"Ja, darum rufe ich doch an - ich weiß nicht, was ich tun soll, zumal die Katze schon ganz böse guckt?"

Ich bemühte mich um Ruhe, atmete tief ein und brüllte dann in den Hörer:"Holen Sie sofort die arme Katze aus der Waschmaschine!"

Mit zittriger Stimme wurde mir geantwortet, die Waschmaschinentür ließe sich leider nur nach Programmende öffnen, und das Programm sei gerade erst gestartet. Die Maschine würde vorraussichtlich noch etwa anderthalb Stunden laufen, denn so lange brauche das 30 Grad Schonprogramm für Wolle und Feines üblicherweise. Im übrigen würde die Katze inzwischen wirklich, wirklich böse gucken?

Daraufhin riet ich der Dame, den Stecker auf der Rückseite der Maschine aus der Steckdose zu ziehen.

Sie reagierte völlig irritiert:"Aber dann hätte meine Waschmaschine doch keinen Strom mehr? Die Waschmaschine braucht aber doch Strom, um meine Wäsche zu waschen?"

Ich bemühte mich wirklich, nicht laut zu werden angesichts der Lebensgefahr für die Katze und der begriffstutzigen Besitzerin, und schrie in den Hörer:"Sie ziehen jetzt sofort den Stecker heraus, damit das Waschprogramm unterbrochen wird, dann läßt die Tür sich öffnen und sie können die Katze endlich aus der Waschmaschine holen! Danach können Sie doch den Stecker wieder einstecken und immernoch ihre Wäsche waschen - ohne Katze!"

Die alte Dame äußerte mit einem beleidigten Unterton :"Sie müssen mich ja nicht gleich derart unfreundlich ..."

Ich unterbrach sie harsch im Kasernenhofton:"Stecker rausziehen, Tür öffnen, Katze rausholen! Sofort!"

Dann hörte ich zuerst ein leises Klappern, danach gellendes Geschrei ...und dann die vorwurfsvolle Stimme der älteren Dame in leidendem Ton: "Ich dachte, Sie kennen sich so gut mit Katzen aus? Das hätten Sie mir aber vorher sagen müssen, dass die Katze mich kratzt, wenn ich sie aus der Waschmaschine heben und zum Abtrocknen auf den Arm nehmen will! Ich hatte Sie extra darauf hingewiesen, dass die Katze diesen wirklich, wirklich bösen Gesichtsausdruck hatte!"

Ich möchte aus gegebenem Anlass auf folgende Tatsachen hinweisen:

Katzen können sehr unleidlich reagieren, wenn ihre Besitzer sie bei der Katzenwäsche unter Zuhilfenahme von elektrischen Großgeräten unterstützen.

Katzen sind selbstreinigend.

 

Der Gedankenleser

Manchmal, wenn ich fremde Hunde und ihre Menschen beobachte, bin ich erstaunt zu sehen, wie sehr manche Hunde auf Gehorsam gedrillt durch`s Leben traben. Sie gehen bei Fuß eng neben dem linken Knie des Besitzers, wenden kaum einmal den Blick von seinem Gesicht, um bloß kein Kommando zu verpassen, und das eben gerade nicht nur auf einem Hundeplatz, sondern auch in alltäglichen Situationen auf der Gassirunde im Park.

Ich frage mich dann immer, ob sie gehorchen, weil sie Angst vor Strafe haben oder weil sie so sehr auf Leckerlies fixiert sind, dass sie sich nur um eines zu erhaschen derart devot aufführen.

Einnerseits mag es ja ganz nett sein insbesondere für das eigene Selbstbewußtsein, wenn der Hund sich auch im Alltag immer so benimmt, als wolle er Preise in einem Gehorsamswettbewerb gewinnen.

Andererseits würde ich mir als Hundeführer Gedanken machen, ob das permanente Hochschauen nach rechts oben nicht auf die Dauer zu Wirbelsäulenschäden führt - ich habe es einmal selbst ausprobiert und litt bereits nach wenigen Minuten an ernstzunehmenden Problemen durch schmerzhaft verkrampfte Nackenmuskulatur?

Ich habe keine Ahnung, ob meine Halswirbelsäule empfindlicher ist als die eines durchschnittlichen mitteleuropäischen Schäferhundes, aber ich kann eines mit Gewissheit sagen: meine Hunde traben anders durch`s Leben?

Genaugenommen wuseln meine Hunde auf unseren ausgedehnten Spaziergängen durch Wald und Feld meistens eher vage irgendwo in meiner Nähe herum, mal rechts von mir, mal links von mir, mal im Spiel vorraushopsend, mal am Wegrand schnuppernd zurückbleibend ... Kurz, ich muß mich damit abfinden, wohl keine Preise mit ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit gewinnen zu können?

Sicherheitshalber habe ich stets vermieden, mit einem von ihnen jemals auch nur in die Nähe eines Hundeplatzes zu kommen.

Trotzdem bin ich der Überzeugung, dass meine Hunde auch ohne antrainierten Kadavergehorsam ganz zufrieden sind, und unter dem Strich bin ich wohl auch sehr zufrieden mit der Art und Weise, wie sie im Alltag selbst entscheiden, welches Verhalten angemessen sein könnte in den vielen Situationen, in denen sie eben gerade nicht alles von mir vorgegeben bekommen.

Kürzlich hatten wir einen Fliesenleger im Haus, der im Rahmen einer Badrenovierung die neuen Fliesen verlegen sollte. Er arbeitete, nun, wie ein durchschnittlicher deutscher Handwerker eben arbeitet - sprich, in einem guten Teil der Zeit, die ich ihn für`s Fliesenlegen bezahlte, hat er vom Handy aus Telefonate geführt, rauchend draußen gestanden oder in seinem Auto gesessen und Pausenbrote gemampft, was unter dem Strich dazu führte, dass er in dieser Zeit eben gerade keine Fliesen legte.

Ich muß wohl nicht die Tatsache erwähnen, dass mir lieber gewesen wäre, wenn er seine Zeit ausschließlich mit dem Verlegen von Fliesen verbracht hätte?

Trotzdem hätte ich mich nicht beschwert oder mit ihm Streit angefangen, immerhin hat er unter dem Strich wirklich gute Arbeit geleistet und alle Fliesen sitzen inzwischen dank seiner Hände Arbeit perfekt an ihrem Platz. Ausserdem ist es nicht seine Schuld, wenn andere Kunden ihn während der Arbeitszeit anrufen und natürlich gestehe ich ihm auch gewisse Pausenzeiten zu ... wenngleich im Grunde meines Herzens nur ungern, denn ich wollte die Badezimmerrenovierung schnellstmöglich abgeschlossen haben?

Ohne die Arbeitsweise dieses speziellen Fliesenlegers bemängeln zu wollen, ging es mir doch so wie wohl vielen Auftraggebern, dass ich mir vom oft gelobten und genauso oft kritisierten deutschen Handwerk etwas mehr Hundeplatz-mässigen Kadavergehorsam gewünscht hätte - also genau das, was ich bei meinen Hunden niemals ernsthaft erzieherisch versucht habe durchzusetzen?

Besagte Hunde übrigens haben den Fliesenleger zwei Tage lang kommentarlos bei seiner Arbeit beobachtet, während sie auf dem Weg zu ihren Gassirunden raus und wieder rein ins Haus an ihm vorbei liefen.

Ich gebe zu, meine Hunde liefen nicht gehorsam neben meinem Knie, sondern wuselten vorraus oder hinterher im üblichen Chaos. Sie guckten auch nicht mich an, kein einziger der Hunde guckte mich an, alle Blicke galten dem Fliesenleger ... wir hätten mal wieder keinen Blumentopf gewonnen auf den Hundeplätzen dieser Welt mit diesem Auftritt.

Am dritten Tag saß ich am Computer und erledigte Büroarbeit, währenddessen wähnte ich meine Hunde friedlich im Körbchen schlafend.

Irgendwann nach mehreren Stunden beschlich mich ein ungutes Gefühl, das Gefühl eines Frauchens, was ganz genau weiß, wenn die Hunde zu lange Ruhe zu halten scheinen, kann das nur bedeuten, dass sie eine spannende neue Beschäftigung gefunden haben ...

Ins Treppenhaus kommend mußte ich feststellen, dass sich alle meine 4 Hunde vor der Badezimmertür versammelt hatten. Sie saßen halbkreisförmig nebeneinander in einer Reihe vor der offenen Tür und beobachteten jede Bewegung des Fliesenlegers, der emsig Fliesen verlegte. Es war eine andächtige Konzentration in dieser Aufmerksamkeit, die ich bis dahin nur in den Zuschauerrängen gesehen habe, während auf der Bühne eine Oper gesungen wurde.

Etwas irritiert fragte ich den Fliesenleger:

"Meine Hunde sind ja bei Ihnen - ich hoffe, sie haben Sie nicht bei der Arbeit gestört?"

Der Fliesenleger antwortete mit einem gequälten Grinsen:

"Nein, die Hunde stören überhaupt nicht bei der Arbeit, im Gegenteil: Solange ich Fliesen gelegt habe, haben sie nur ganz ruhig da vorn gesessen und mich beobachtet. Allerdings ist wirklich gut, dass Sie kommen, weil immer wenn ich aufgestanden bin und versucht habe, den Raum zu verlassen, um das in meiner Jackentasche draußen klingelnde Handy zu nehmen, oder um rauszugehen für eine Pause, dann ist der große Rüde aufgestanden, hat sich maximal groß gemacht und hat mich derart böse fixierend angeguckt, teils leise geknurrt dabei, dass ich mich nicht getraut habe, was anderes zu tun, als mich ganz schnell wieder an die Arbeit zu machen. Denn sobald ich weiter Fliesen verlegt habe, hat er sich wieder hingesetzt und nur ganz friedlich zugeschaut. Jetzt habe ich zwar wirklich viele Fliesen verlegt heute, aber es ist inzwischen auch schon recht spät und ich würde wirklich gern Feierabend machen - Wenn Sie Ihren Hunden bitte erklären könnten, dass ich mit Fliesenlegen aufhören und den Raum verlassen darf?"

Offensichtlich hatte mein Hund ganz ohne ausdrückliches Kommando meinerseits meine feinen unbewußten Körpersprache-Signale so genau gelesen, dass er verstanden hatte, was ich mir vom Fliesenleger wünschte ( Fliesen legen ) und was nicht ( Telefonate & Pausen ).

Als ein typischer Schäferhund, der im Grunde seines Herzens stets bemüht ist, Frauchen glücklich zu machen, hatte er selbstständig entschieden, gemeinsam mit seinem Rudel dafür Sorge zu tragen, dass der Fliesenleger seiner Arbeit ohne Unterbrechungen nachging.

Das war der Moment, in dem ich wußte, warum ich im täglichen Zusammenleben mit meinem Hund glücklich war, obwohl oder gerade weil ich ihn nicht zu einem allzeit gehorsamen Befehlsempfänger erzogen habe:

Mein intelligenter Rüde sah seine Aufgabe stets darin, meine Gedanken zu lesen und daraus eigene Schlüsse zu ziehen, wie er selbstständig handeln könnte, um mir eine Freude zu machen - und das ist nicht nur an Tagen mit Handwerker im Haus wesentlich hilfreicher, als einen tumben Befehlsempfänger zu besitzen, der in Ermangelung eines einstudierten Kommandos seinen Einsatz im Körbchen liegend verschläft?

Kurz darauf erwähnte eine Freundin, dass sie Probleme mit einigen wirklich überdurchschnittlich arbeitsscheuen Arbeitern hätte, die vor ihrem Haus seit Wochen bei Pflasterarbeiten herumtrödelten.

Ihr eigener Hund kann zwar wirklich fabelhaft bei Fuß gehen - überflüssig zu erwähnen, dass er sich in dieser Sache als wenig hilfreich erwies.

Ich bin für gewöhnlich einem kleinen Nebenverdienst nicht abgeneigt und habe daher in Erwägung gezogen, meinen Rüden stundenweise zu Verleihen.

Über den Preis wären wir uns schon einig geworden. Immerhin war meine Freundin wirklich sehr genervt von der Art und Weise, wie die Baustelle sich zu einem Lärm und Schmutz verbreitenden Dauerzustand zu entwickeln drohte. Sie wäre dementsprechend gern bereit gewesen, für eine Lösung des Problems auch etwas tiefer in die Tasche zu greifen, sofern sie einen wirklich erfahrenen Profi in Sachen Arbeitsbeschleunigung erhielte.

Dummerweise kam unser Deal nicht zustande.

Es stellte sich überraschenderweise heraus, dass mein Rüde kein Kommando befolgte, dass ihn dazu aufforderte, jemand anderes als das eigene Frauchen glücklich zu machen.

 

Der manisch-depressive Goldhamster

Ein Teil meiner Arbeit besteht daraus, dass ich Tieren und ihren Menschen helfe, Lösungen für kleinere oder größere Probleme im Umgang miteinander zu finden. Häufig handelt es sich bei den Tieren um Pferde, oft Hunde, seltener Katzen oder Vögel. Kürzlich bekam ich tatsächlich erstmals einen Anruf wegen eines Goldhamsters, dessen problematisches Verhalten seine Besitzer dazu gebracht hatte, bei mir Rat zu suchen.

Ich bin zwar nicht gerade ein ausgewiesener Spezialist für die Therapie von Verhaltensproblemen beim Goldhamster, aber vermutlich gibt es nicht besonders viele Menschen, die sich auf dieses spezielle Spezialgebiet spezialisiert haben.

Wahrscheinlich neigen entweder Goldhamster im allgemeinen nicht besonders zu Verhaltensauffälligkeiten. Oder wenn Goldhamster doch eine Verhaltensanomalie entwickeln, neigen wahrscheinlich die Goldhamsterbesitzer im allgemeinen auch einfach nicht besonders dazu, diese Verhaltensprobleme therapieren zu lassen.

Wie dem auch sei, ich war mir zwar meiner Erfahrungsdefizite auf dem Gebiet der Therapie von Goldhamstern durchaus völlig bewußt, habe aber in Ermangelung von besser geeigneten Alternativen zugestimmt, vorbeizukommen und mir das Problem vor Ort schildern zu lassen, um unter Nutzung meines rudimentär vorhandenen Wissens über Goldhamster zu versuchen, eine für alle Beteiligten zufriedenstellende Lösung zu finden.

Ich betrat also die Wohnung besagter Hamsterbesitzer und wurde direkt in ein ziemlich rosa und mit viel Glitzer gestaltetes Kinderzimmer geführt.

Wie sich herausstellte, war der Goldhamster ein Geburtstagsgeschenk für die fünfjährige Tochter der Familie, daher stand sein Käfig direkt neben ihrem Bett auf einem kleinen Tischchen. Überflüssig zu erwähnen, dass das kleine Tischchen ebenfalls rosafarben mit Glitzer war, wunderhübsch anzuschauen, insbesondere aus der Sicht einer komplett pinkfarben gekleideten Fünfjährigen mit Strassstein-geschmücktem Plastikdiadem auf dem Kopf.

Der Hamsterkäfig jedenfalls war zwar nicht besonders groß oder üppig eingerichtet, aber passend zum Dekorationsstil der fünfjährigen Innenraumgestalterin in rosafarbener Prinzessinnen-Optik gestaltet. Er bot seinem Bewohner eine Mischung aus Stroh und Heu auf dem Boden und ansonsten als Einrichtung ausser einem Futternapf mit Pellets und einer ins Gitter gehängten Trinkflasche nur noch ein rosafarbenes Schlafhäuschen, was dafür aber zumindest mit vielen kleinen Abbildungen von goldenen Krönchen glänzte.

In genau diesem Schlafhäuschen hatte sich der kleine Goldhamster verschanzt, was bei seiner Besitzerin sofort Empörung hervorrief.

Sie rappelte mit beiden Fäusten am rosafarbenen Gitter und quengelte lautstark:"Komm`sofort raus, Little Lillifee!"

Einerseits war ich ehrlich gesagt wenig überrascht von der Namenswahl. Andererseits hatte ich ( ganz ohne den Hamster überhaupt gesehen zu haben ) spontan und intuitiv das sichere Bauchgefühl, dieser Hamster könne garantiert und ausschließlich nur ein männlicher Goldhamster sein.

Die Mutter der kleinen Möchtegernprinzessin erlöste mich aus dieser für meinen Geschmack etwas zu rosafarbenen Parallelwelt und zog mich hinter sich her bis zur Wohnzimmercouch, um kaum dort angekommen auf mich ein wie ein Wasserschwall einzuplappern:

Sie hätten in gutem Glauben dem Wunsch der Tochter nach einem eigenen Haustier entsprochen und in der Zoofachabteilung eines örtlichen Kaufhauses diesen Goldhamster samt Zubehör gekauft. Jedoch habe das Tier sich vom ersten Tag an als völlig ungeeignet erwiesen, um der Tochter ein geeigneter Spielgefährte zu sein, da es offensichtlich unter einer psychischen Erkrankung litte, welche das Zusammenleben mit ihm völlig unmöglich mache.

Man habe sogar versucht, den Goldhamster hinter dem Rücken der Tochter in der Zoofachabteilung zu reklamieren und ihn gegen einen identisch gefärbten, aber psychisch stabileren Hamster auszutauschen. Dies sei allerdings nicht nur an der Weigerung des Verkaufspersonales bezüglich der Rücknahme des fehlerhaften Tieres gescheitert. Darüberhinaus habe sich diese Idee als überaus schwierig in der Durchführung erwiesen, da die Tochter ihre Little Lillifee gerade aufgrund der besonders hübschen Scheckung des Felles ausgewählt habe und nun hätte es sich als komplett unmöglich herausgestellt, ein Tier mit identischer Fellzeichnung zu aufzutreiben.

Folglich sei meine kompetente Hilfe das Einzige, was in dieser vertrackten Lage noch Rettung für den Hamster, die Tochter und die Glückseeligkeit der gesamten Familie bieten könnte.

Das Erscheinen der heulenden Tochter "Little Lillifee hat mich gebissen!" unterbrach den Redeschwall der überforderten Mutter kurz, und ich nutzte meine Chance und bat:"Ok, der Hamster beißt, wenn ihre Tochter versucht, ihn aus dem Schlafhäuschen zu holen - Können Sie mir bitte verraten, was es darüber hinaus für Probleme mit seinem Verhalten gibt?"

Denn ich rätselte ehrlich gesagt immer noch etwas, was für ein merkwürdiges Verhalten ein Goldhamster wohl zeigen könnte, um seine Besitzer dazu zu bringen, eine psychische Störung zu vermuten und einen Hamster-Flüsterer zu Therapiezwecken zu engagieren?

Die Tochter hörte so abrupt auf zu heulen, als ob ich einen Wasserhahn zugedreht hätte, zupfte an meinem Ärmel und sagte:" Little Lillifee ist krank!", um dann im Flüsterton hinzuzusetzen:"Krank im Kopf, wie Oma!"

Die Mutter klärte mich dann über das schlecht gehütete Familiengeheimnis auf, ihre Schwiegermutter sei phasenweise manisch-depressiv gewesen. Mittlerweile ginge es ihr zwar wieder gut. Aber ihnen wäre bezüglich des Hamsters aufgefallen, dass genau wie bei der Schwiegermutter sein Verhalten starken Schwankungen unterliege. Mal habe der Hamster an nichts Interesse und verkrieche sich nur in seinem Schlafhäuschen, um dort bewegungslos zu verharren. Dann wieder drehe der Hamster schier durch vor Energie, laufe hin und her, randaliere in seinem Käfig, indem er das Futtertöpfchen umwerfe oder laut klappernd am Trinkfläschchen rappele - dann könne nichts ihn beruhigen. Deshalb hätten sie angenommen, dass der Hamster ähnlich der Schwiegermutter manisch-depressiv geworden sei?

Ich dachte einen Augenblick scharf nach und sagte dann:"Lassen Sie mich raten: Der Goldhamster zeigt einen klaren Tag- und Nacht-Rhythmus. Er ist tagsüber nur im Schlafhäuschen und liegt rum. Dann kann nichts ihn motivieren, rauszukommen, um mit ihrer Tochter zu spielen, und wenn sie ihn rausholt, beißt er. Nachts dagegen ist er hyperaktiv und randaliert mit Futternapf und Wasserflasche, dass ihre arme Tochter kein Auge zubekommt von dem Lärm, den er rücksichtslos veranstaltet!"

Die Mutter strahlte mich an:"Ganz genau richtig - Woher wußten Sie das?!"

Ich rollte die Augen gen Himmel und sagte: "Weil der Hamster weder verhaltensgestört ist noch krank, sondern sich komplett normal verhält. Goldhamster sind ohne Ausnahme nachtaktive Tiere. Es entspricht ihrer Natur, den Tag zu verschlafen, um in der Nacht aktiv zu werden."

Die Mutter guckte mich völlig verdattert an: "Aber was machen wir denn jetzt?"

Ich strahlte sie an und verkündete:

"Sie können ganz einfach alle Probleme lösen! Das Einzige, was Sie tun müssen, ist, ihre Tochter ab sofort immer tagsüber ins Bett zu stecken, damit sie den ganzen Tag verschläft. Das sollte komplett problemlos möglich sein, weil der Hamster ja um die Zeit auch schläft und folglich Ruhe im Zimmer herrscht? Wenn dann Hamster & Tochter am Abend ausgeruht erwachen, haben sie Gelegenheit für gemeinsame Aktivitäten, und das fabelhafterweise die ganze Nacht lang. Am Besten bauen Sie dazu das Zimmer ihrer Tochter dahingehend um, dass es ein Hamster-Abenteuer-Paradies mit lauter Röhren-Gängen und verschiedenen Höhlensystemen wird. Und am Morgen gehen dann beide wieder gleichzeitig schlafen. Weil genau so ist der Aktivitätsrhythmus eines Hamsters und eine für seine Bedürfnisse optimierte Umgebung? Ihre Tochter muss sich da nur anpassen!"

Die Mutter stutzte und sagte dann zögernd: "Aber ich kann doch nicht meine Tochter auf Dauer Tag und Nacht vertauschen lassen? Und von ihr erwarten, dass sie in einer Behausung lebt, die ..."

Jetzt war ich an der Reihe, völlig überrascht zu gucken: "Wieso denn nicht? Genau das haben Sie doch von Ihrem Goldhamster auch verlangt?"

 

Die verfressene Hündin

An einem wunderschönen Frühlingstag haben wir eine Mischlingshündin aus einem deutschen Tierheim adoptiert, die ursprünglich aus dem Auslandstierschutz stammte. Über die Vorgeschichte dieser Hündin ist nur wenig bekannt, sie wurde als Streuner auf der Straße eingefangen.

Wie viele Streuner aus dem Süden war sie bei ihrer Ankunft sehr mager und sehr scheu.

So gesehen traf es sich gut, dass sie vom ersten Moment an extrem verfressen war. Denn einerseits war es gut möglich, sie über ständiges Füttern aus der Hand an den Kontakt mit Menschen zu gewöhnen, und schnell fasste sie Vertrauen zu ihrer neuen Menschenfamilie. Andererseits legt so ein magerer aber verfressener Strassenhund zum Glück schnell an Körpermasse zu, wenn man ihm bei jeder Gelegenheit Futter anbietet.

Irgendwann im Sommer kam dann allerdings der Tag, wo die Hündin endlich die von uns angestrebte Idealfigur erreicht hatte: nicht zu dünn und nicht zu dick, sondern voll bemuskelt und ohne rausstehende Knochen, aber eben auch nicht moppelig. Übergewicht ist schließlich genauso gesundheitsschädlich wie Untergewicht, und wer will nicht das Allerbeste für seinen Hund?

Wir waren total begeistert und reduzierten ihre Futterration von "alles was irgend reingeht" auf die Menge, die auf der Futterverpackung als angemessen für Hunde ihrer Größe & Gewichtsklasse angegeben war.

Die Hündin war deutlich weniger begeistert, denn sie verstand überhaupt nicht, warum es seit neuestem nur noch zugeteilte Rationen statt stets gefüllter Näpfe gab?

Dabei war sie durchaus erfinderisch, wenn es darum ging, irgendwo einen mehr oder weniger für Hunde geeigneten Snack zu erhaschen? Es kam der Tag, wo ich die Hündin sogar dabei ertappte, dass sie auf einem Spaziergang am Rande eines Weizenfeldes stand und die Ähren auskaute, in der Hoffnung, so den immer knurrenden Magen zu füllen.

Außerdem muß man sagen, es gab keinen aufmerksameren Hund als diese spezielle Hündin: Sobald einer von uns sich der Küche nur näherte, kam sie angetrabt in der Hoffnung auf einen Snack. Sie tat, was keiner unserer Hund vor ihr getan hätte: Sie bettelte bei Tisch um Menschenessen, denn aus ihrer Sicht handelte es sich um völlig adäquate Nahrung für einen mittelgroßen weißen Schäferhundmischling?

Ich kenne mich mit Hundeerziehung und Hundefütterung bei weitem besser aus als der beste Göttergatte der Welt, folglich predigte ich selbigem jeden Tag, auf keinen Fall dieser Hündin Essen vom Tisch zu geben. Erstens seien Schmierkäsebrote genauso ungeeignet als Hundefutter wie Nudeln mit Soße, zweitens, so betonte ich, würde das Betteln nur verstärkt, wenn ein Mensch aufgrund übertriebener Gutherzigkeit dem leidenden Hundeblick nachgeben und ihm Essen vom Tisch geben würde.

Offensichtlich hielt der beste Göttergatte der Welt sich nicht an meine Anweisungen, den bettelnden Hund zu ignorieren, denn die Idealfigur unserer Hündin war schon einer deutlichen Moppeligkeit gewichen, als kaum die ersten Blätter in den bunten Farben des Herbstes zu leuchten begannen.

Ich reduzierte die tägliche Hundefutter-Ration in der Schüssel der Hündin nach und nach auf so wenige Kroketten Trockenfutter, dass kaum der Boden des Napfes bedeckt war.

Ich schimpfte mit dem besten Göttergatten der Welt, ermahnte ihn, hielt Vorträge über die Schädlichkeit von Übergewicht bei Hunden im Allgemeinen und Menschenessen im Hundemagen im Besonderen.

Der beste Göttergatte der Welt weigerte sich zuzugeben, dass die Hündin jemals von ihm auch nur einen Brocken vom Tisch erhalten hätte.

Die Hündin war inzwischen schneckefett und obwohl ich das Hundefutter weiter reduzierte, legte mein Moppelhund mit jedem Tag noch mehr Gewicht zu. Es war mir völlig unbegreiflich, wieso ich trotz allen Bemühungen bezüglich Diät und Bewegung die Figur dieses Hundes nicht in den Griff ( sprich, auf Idealmasse ) bekam?

Irgendwann kam der Tag, an dem meine Hündin aus dem Garten reinkam mit Leidensmiene, weil sie sich einen Backenzahn abgebrochen hatte.

Es fiel mir wie Schuppen von den Augen:

Ich hatte die Hündin in der Hoffnung auf die Figurfreundlichkeit zusätzlicher Bewegungsanreize jeden Tag stundenlang in unseren Garten gelassen.

In unserem Garten gab es zahlreiche Nussbäume und unter denen gab es nicht nur Rasenflächen, auf denen ein Moppelhund herumrennen, Spielen und Toben kann. Unter den Nussbäumen gab es im Herbst auch Unmengen an reif heruntergefallenen Nüssen, deren Schale ein verfressener ehemaliger Straßenhund knacken kann, um deren kalorienreichen Inhalt gierig zu verschlingen.

Ich tat, was ich tun mußte:

Ich fuhr die Hündin zum Tierarzt, damit der geborstene Zahn gezogen wurde.

Der beste Göttergatte tat, was er tun mußte:

Er schüttelte Äste und harkte und sammelte in der Zwischenzeit sämtliche Nüsse aus unserem Garten.

Wir waren insofern erfolgreich, dass die Hündin nach Reduzierung des Nuss-Anteils in ihrer Ernährung erfreulich schnell Gewicht abnahm bis auf eine zumindest akzeptable Figur.

Leider bettelte die Hündin immernoch bei Tisch, als ob es nicht täglich zu festen Zeiten Mahlzeiten mit anständigem Hundefutter für sie gäbe in exakt der Menge, die auf der Verpackung für ihre Größe und Gewichtsklasse als angemessen angegeben wurde.

Ich hegte den Verdacht, dass der beste Göttergatte der Welt ihr doch hin und wieder eine Kleinigkeit bei Tisch zukommen ließ, einen Käsebrocken, eine Brotkante? Warum sonst würde dieses Hundetier derart hartnäckig betteln?

Ich habe am Ende eine Lösung für das Problem des ewigen Bettelns gefunden: Frische Ananas! Ich habe am Tisch gesessen, eine frische Ananas in Stücke geschnitten und als ich sie gemeinsam mit dem besten aller Göttergatten zu verspeisen begann, bettelte die Hündin mal wieder bei Tisch.

Gegen alle meine eigenen Erziehungsprinzipien verstoßend habe ich die Hündin aus einem Bauchgefühl heraus mit Ananas-Stückchen gefüttert.

Dabei stellte sich heraus, dass der verfressenste aller ehemaligen Straßenhunde, meine Hündin, die alles fraß, die Getreideähren auskaute und Nüsse knackte, dass sie keine Ananas mochte. Es war nicht etwa nur so, dass sie Ananas nur etwas weniger lecker fand. Ananas schmeckte ihr überhaupt gar nicht. Sie hatte offensichtlich noch nie so etwas Saures gegessen. Es war deutlich in ihrem Gesicht zu lesen, sie fand Ananas so abgrundtief widerlich, wie noch nie etwas zuvor in ihrem Hundeleben.

Jetzt war es so, dass die Hündin eigentlich das Ziel ihrer Träume erreicht hatte: Sie sass mit uns beim Tisch und durfte von dem Mitessen, was ihre Menschen speisten. Dummerweise speisten die Menschen Ananas, also das Gräßlichste, was die Hündin je gekostet hatte.

Ich werde die Blicke dieser Hündin nie vergessen. Sie zeigten deutlich den entsetzlichen Zwiespalt, in dem die Hündin sich befand. Sie sah zu mir hinauf und ich zu ihr herunter, und sie würgte mit Todesverachtung im Blick diese gräßlich schmeckenden Ananasbrocken herunter. Es war klar, dass sie sich nach all`der Bettelei nicht traute, auch nur ein Stückchen Ananas liegenzulassen.

Nach diesem Tag hat die Hündin nie wieder gebettelt, wenn ich bei Tisch saß.

Ich bin überzeugt, sie traut sich nicht.

 

Ungefähr vier Katzen & ein tierlieber Ehemann

Ein Abend wie jeder andere auf unserem idyllischen kleinen Gnadenhof ...

22.15 Uhr:

Meine Pferde versorgt, meine Hühner mardersicher im Stall eingesperrt, meine Hunde gefüttert ... Feierabend!

22.20 Uhr:

Jetzt eine entspannende Dusche, heißes Wasser und das Duschgel mit meinem Lieblingsduft ... Jippie!

22.21 Uhr:

Meine Haare gerade gut einshampooniert, die liebliche Stimme meines weltbesten aller Göttergatten dringt durch die Badezimmertür und die seelig wabernden Wolken von Wasserdampf zu mir durch: "Schatz, haben wir eine dunkle Katze, schwarz oder dunkel getigert oder dunkel gefleckt oder so?"

"Ja? Seit über 14 Jahren schon? Wieso?

Liebliche Stimme des weltbesten aller Göttergatten wird panisch:"Weil dann ist eine von unseren Katzen abgehauen und irrt draußen durch den Garten, ich habe sie eben durch`s Fenster gesehen!"

"Geh`bitte erst einmal nachsehen, wie viele Katzen noch im Haus sind, ob wirklich eine fehlt ...?"

Der weltbeste aller Göttergatten zögernd:" Wie viele Katzen sollte ich dann finden?"

Mit Augenrollen meinerseits:"Wir haben seit 14 Jahren immer sechs Katzen gehabt, und Deine Beschreibung passt auf fünf davon!"

22.24 Uhr:

Ein schüchternes leises Stimmchen, welches entfernt an den weltbesten aller Göttergatten erinnert, ertönt leise hinter der Badezimmertür:"Schatzi? ... und was, wenn ich nur ungefähr vier Katzen finde?"

22.25 Uhr:

Tropfnass und nur mit einem Handtuch bekleidet stelle ich mit zitternden Händen hektisch sechs kleine Schüsselchen mit Nassfutter auf die Fliesen im Flur und rufe atemlos ... keine 3 Sekunden später schlappert ( so wie es sein soll ) in jeder der 6 Schüsselchen eifrig eine kleine Katzenzunge den unerwarteten Leckerbissen ... ein beruhigendes Geräusch ...

22.30 Uhr:

Ich sitze auf der Couch und denke darüber nach, wie anstrengend es wohl wäre, zu dieser späten Stunde noch in den an unseren Hof angrenzenden finsteren Wald zu gehen, um dort beim Licht einer kleinen Taschenlampe per Spaten ein Loch auszuheben, etwa 185 cm lang, mittelprächtig breit und sehr tief ...

 

Körperkraft versus Denkleistung

Bei mir auf dem Hühnerhof lebten einmal zwei Hähne, der eine ein großer und kräftiger Prachtbursche, der andere deutlich kleiner, ein mickriger Schwächling.

Natürlich finden auf einem Gnadenhof alle Hähne gleichermassen ungeachtet ihrer körperlichen Erscheinung einen Platz für`s Leben, ich würde nie einen Hahn aus optischen Gründen abweisen, solange ich noch Platz habe, ist mir jeder Hahn willkommen. Immerhin halte ich meine Hähne nicht aus Gründen der Zucht, sondern nur aus Freude an der Beobachtung ihres Verhaltens, und so hatte ich den Mickerling genauso lieb gewonnen wie seinen kräftigeren Kollegen.

Eigentlich gibt es bei uns im Stall ausreichend Platz für zwei Hähne, draußen auf der Wiese sowieso, und eigentlich hätten die beiden Hähne auch reichlich Hennen als Gesellschaft gehabt, um eine friedliche Koexistenz zu leben.

Bei aller Möglichkeit jedoch, sich aus dem Wege zu gehen, um Streit zu vermeiden, mußte ich dennoch zu meinem Leidwesen feststellen, dass der Größere den Kleineren schon nach kurzer Zeit zu triezen und zu mobben begann.

Es bekümmerte mich sehr, hatte ich doch beide Hähne gleichermassen gern, und gönnte dem Kleineren sein glückliches Leben auf unserem Hühnerhof genauso wie jedem an Körperkraft überlegenen Hahn?

Trotzdem mußte ich beobachten, dass der Größere den Schwächeren herumschubste, ihn von den Hennen zu verscheuchen versuchte, ihn vom Futter wegjagte ... es wurde immer schwieriger für den Kleinen, ein Auskommen zu finden?

Da ich nur einen Hühnerstall hatte, gab es für mich auch keine Möglichkeit, die beiden zu trennen, damit jeder ein eigenes Revier mit einer eigenen Hühnerschaar hätte haben können? Die beiden mußten also allein eine Lösung finden, wie sie das Problem lösten ...

Eines Tages beobachtete ich gerade meine bunte Hühnerschaar, als am Himmel unerwartet ein Habicht auftauchte.

Wir leben innerhalb einer glücklicherweise recht naturnahen Umgebung und haben folglich relativ viele Greifvögel in der Gegend, daher verfügen meine Hühnerausläufe sicherheitshalber über ausreichend dichtes Buschwerk und Versteckmöglichkeiten für den Fall einer Greifvogelattacke. Deshalb machte ich mir im ersten Moment keine allzu großen Sorgen, dass eines meiner Hühner als Beute ins Visier geraten könnte.

Während ich die Situation beobachtete, fiel mir auf, dass der größere der Hähne mal wieder auf der offenen Wiese herumstolzierte, nach Käfern und Würmern scharrte und sich für den König der Welt zu halten schien, während der Kleine den Greifvogel am Himmel sofort bemerkt und sich mit seinen Hennen direkt ins dichteste Dorngestrüpp zurückgezogen hatte.

Nun geschah etwas Unerwartetes: Der Kleine begann im sicheren Versteck so lauthals zu krähen, wie ich es noch nie bei ihm beobachtet hatte. Er veranstaltete einen schier unglaublichen Krach, anstatt sich einfach nur in der Sicherheit des Gestrüpps zu verstecken.

Es kam, wie es kommen mußte, der Habicht hörte das Krähen, blickte hinab, bemerkte zwar nicht das kleine Hähnchen und seine Hennen im Versteck, erspähte aber sofort den großen Hahn auf der offenen Wiese, und stieß hinunter auf den Ahnungslosen mit offensichtlicher Tötungsabsicht.

Nur durch seine ungewöhnliche Körperkraft und den glücklichen Umstand, dass reichlich Versteckmöglichkeiten in nächster Nähe vorhanden waren, schaffte es der große Hahn knapp, die Attacke zu überleben. Der Greifvogel mußte unverrichteter Dinge davonflattern und sich woanders ein Abendessen suchen.

Ich werde nie den Anblick vergessen, wie der eben noch prachtvolle Gockel völlig zerrupft und aus mehreren Wunden blutend völlig verstört und eingeschüchtert im Gestrüpp saß, von seinem vorher übergroßen Selbstbewußtsein schien nicht viel übrig geblieben zu sein.

Währenddessen marschierte der mickrige Winzling siegesgewiss aus seinem Versteck, reckte sich groß auf wie nie zuvor gesehen, und stolzierte hoch erhobenen Hauptes durch den Auslauf. Er flirtete mit allen Hennen, er fraß die besten Leckerbissen aus der Futterkrippe und durfte sich aufführen, als ob der ganze Hühnerhof ihm gehören würde, denn sein alter Widersacher hatte seine Lektion gelernt.

Und so lernte auch ich an diesem Tag eine wichtige Lektion von meinem kleinen Hähnchen:

Es ist überhaupt nicht wichtig, immer der körperlich Stärkere zu sein - es reicht völlig, wenn man seinem Gegner geistig überlegen ist, denn dann kann man einen Weg finden, dem anderen eine angemessene Tracht Prügel zu verpassen, ganz ohne sich selbst die Hände schmutzig zu machen!

 

Keine einzige Feder

Ein immer wieder spannender Aspekt meines Jobs auf einem Gnadenhof sind die teils unfreiwillig lustigen Telefongespräche, die ich mit wildfremden Menschen führe, wenn diese mich anrufen, weil sie sich einen guten Rat für ein tierisches Problem von mir erhoffen.

So war es auch bei diesem Anrufer, der meine Meinung über seinen Nymphensittich hören wollte. Obwohl ich natürlich weder den Vogel noch den Besitzer geschweige denn die Gesamtsituation des Zusammenlebens im fernen Bayern je persönlich gesehen hatte, schien er von mir einen salomonischen Urteilsspruch zu erwarten.

Anrufer: "Ich rufe Sie an, weil ich einen Streit wegen unseres Nymphensittichs hatte mit einer Bekannten, und jetzt habe ich entschieden, dass wir den Rat eines Profis einholen, um zu entscheiden, wer Recht hat und was ich tun soll mit dem Nymphensittich? Es ist nämlich so, dass ich diesen Nymphensittich schon seit 14 Jahren habe und immer ohne anderen Vogel, und ich glaube, er ist damit glücklich, weil ich als Rentner den ganzen Tag Zeit für ihn habe und er eigentlich immer den ganzen Tag auf meiner Schulter herumgetragen wird, da sitzt er am liebsten. Meine Nachbarin sagt aber jetzt plötzlich, ein Nymphensittich muß immer in einer Gruppe von Artgenossen herumfliegen dürfen in einer Voliere, alles andere wäre nicht artgerecht. Aber mein Vogel kennt keine anderen Vögel, der war immer nur bei mir, schon wo er noch ganz jung war! Ich rufe nun an, damit Sie mir sagen, ob ich den Vogel behalten darf, oder ob ich ihn in eine Voliere abgeben muß?"

Ich fühle mich etwas überfordert und äußere das auch: "Da weiß ich nicht, ob ich der geeignete Ansprechpartner bin, immerhin kenne ich weder Sie noch den Vogel, und aus der Entfernung ist es immer etwas schwierig, spontan einen guten Rat zu geben?"

Anrufer: "Sie sind bestimmt haargenau die Richtige, um das zu entscheiden, immerhin sind Sie mir empfohlen worden, dass Sie sich in alle Probleme, die Tiere betreffen, unglaublich gut reinfühlen könnten und damit überall hervoragende Lösungen finden! Außerdem haben Sie doch Erfahrung mit Nymphensittichen?"

Ich fühle mich nicht wirklich wohl angesichts der mir ungefragt aufgebürdeten Verantwortung, für einen fremden Vogel Entscheidungen treffen zu sollen: "Ich halte zwar seit vielen Jahren Nymphensittiche, aber jedes Vögelchen ist doch ein Individuum?"

Anrufer: "Da sind Sie doch ein Vollprofi, und ich bin überzeugt, dass Sie das entscheiden können!"

Ich bin mir da deutlich weniger sicher, bemühe mich aber: "Schauen Sie, es wird Nymphensittiche geben, die kreuzunglücklich sind ohne Artgenossen, wahrscheinlich sind das die allermeisten Nymphensittiche, diesbezüglich mag Ihre Bekannte im Allgemeinen durchaus Recht haben. Aber es kann sicherlich auch in selteneren Fällen Konstellationen geben, zum Beispiel Handaufzuchten, Tiere, die nie mit Artgenossen vergesellschaftet waren, die nach Jahren der Einzelhaltung so eine starke Fehlprägung auf ihren Menschen als einzigen Sozialpartner erfahren haben, dass es sehr schwer wäre, so einem Tier ein Leben unter seinesgleichen schmackhaft zu machen. Immerhin kennt so ein Vogel dann nur einen menschlichen Sozialpartner und denkt vielleicht, es sei normal, eine Art Artgenosse ganz ohne Federn als Lebenspartner zu haben?"

Anrufer hellauf begeistert: "Das ist der Beweis, dass Sie genau die Richtige sind, mir bei meinem Problem zu helfen und für meinen Vogel zu entscheiden! Meine Bekannte hat Sie mit gutem Grund empfohlen, denn Sie können sich wirklich geradezu magisch in die Fälle hineinversetzen, es ist unglaublich, Ihre Fähigkeiten live zu erleben!"

Ich bin jetzt endgültig völlig ratlos: "Was habe ich denn...?"

Anrufer mit Glückseeligkeit in der Stimme: "Das war doch gerade der Beweis Ihrer unglaublichen Fähigkeiten! Sie haben mich als einen Artgenossen ganz ohne Federn bezeichnet! Wir haben uns noch nie getroffen, und trotzdem konnten Sie sich so fantastisch gut in mein Vogelproblem einfühlen, dass Sie ohne ein einziges Wort von mir hellseherisch schon nach kurzem Telefonat haargenau wußten, dass ich seit Jahren komplett kahlköpfig bin!"

Mein Fazit: Wer an Magie glauben möchte, wird Hellseher & Wunderwirkende überall finden - ich selbst pflege skeptischer durch`s Leben zu gehen, wahrscheinlich sind mir daher bisher immer nur Scharlatane begegnet?

 

Verladen von Schimmelponys

Eines Tages bat mich eine langjährige Freundin, ob ich ein Sportpony für sie mit meinem Pferdeanhänger transportieren könnte. Sie habe es in einem Turnierstall gekauft, etwa eine Fahrtstunde entfernt vom heimischen Offenstall, und in Ermangelung eines eigenen Pferdetransporters sei sie auf meine Hilfe angewiesen, um die Neuerwerbung sicher nach Hause zu bugsieren.

Da ich am Folgetag zufällig nichts Wichtigeres zu tun hatte, gondelten wir also gemeinsam los in meinem SUV mit angehängem Pferdeanhänger, um das Schimmelpony in sein neues Zuhause zu bringen.

Auf der Fahrt erzählte mir meine Freundin dann die ganze Vorgeschichte: Sie hätte für sich ein nettes Kleinpferd oder Endmasspony für gemütliche Ausritte gesucht, eigentlich nach einem Haflinger oder Fjordpferd Ausschau gehalten, irgendein älteres braves Tier, was noch im Schritt reitbar sei. Am Ende hätte sie sich für ein Sportpony entschieden, welches nur aufgrund einer chronisch obstruktiven Bronchitis in ihrer Preisklasse zu haben gewesen sei.

Ursprünglich wären diese hochgezüchteten Leistungssportler im Miniaturformat nicht ihr Favorit gewesen, da sie für ihre Ausritte kein Pony mit sprichwörtlichem Raketenantrieb bräuchte, trotzdem hätte sie sich für den Schimmel entschieden, weil sie hoffte, seinem schlimmen Husten würde es vielleicht ohne die Staubbelastung des Lebens als Turnierpony im luftigen Offenstall besser gehen, und da hätte sie ihm diese Chance gern geben wollen.

Im Sportstall angekommen haben wir natürlich zuallererst das Schimmelpony in Augenschein genommen.

Schon als wir die staubige Stallgasse hinuntergingen, hörten wir ihn in seiner Box jämmerlich husten, als wir seine Stalltür öffneten, warf der Kleine uns einen eindeutig besorgten Blick zu, um sich dann sofort in die hintere Ecke seiner Box zurückzuziehen, nicht ohne sich umzudrehen und uns sicherheitshalber durch Zuwenden des Hinterteils zusätzlich auf Abstand zu halten.

Mein spontaner erster Eindruck war Mitleid, obwohl der Schimmel ein hübsches Kerlchen mit hervorragendem Exterieur war und sicherlich im besten Pflegezustand mit blitzsauber gestriegeltem Fell und ordentlich verzogener Mähne. Allerdings sprachen die Sorgenfalten über seinen misstrauischen Augen und die nach Luft ringend maximal weit gestellten Nüstern auch ohne Worte wahre Bände.

Umso mehr Worte machten dann die bisherigen Besitzerinnen des Endmassponys, als sie zu uns stießen. Im Kasernenhofton wurden wir mit den Vorwürfen gegen das Reitpony beschossen wie mit einer Maschinengewehrsalve: Der Schimmel sei unzuverlässig, ein schwieriger Charakter, der sich auch ein Dreivierteljahr nach Kauf noch nicht bei ihnen eingelebt hätte, weil er wirklich kompliziert sei vom Wesen. Sie hätten sich alle Mühe gegeben, ihn ordentlich einzunorden, damit er mal kapieren würde, was von ihm erwartet wird. Leider hätte er bis heute nichts eingebracht ausser Unkosten zu verursachen.Nicht ein einziges Schleifchen hätte er auf den Turnieren seiner Besitzerin beschert, er schiene geradezu mit Absicht im Parcour Fehler zu machen, eine behufte Katastrophe sei er, darum müsse er dringend gegen etwas Folgsameres ausgetauscht werden.

Wir werden ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Ex-Besitzer sich auf gar keinen Fall unter irgend welchen Umständen bereit erklären werden, das Schimmelpony jemals zurückzunehmen, sollte meine Freundin es sich anders überlegen und ihn aufgrund seines gräßlichen Wesens doch nicht behalten wollen.

Vor allen Dingen sind sich alle einig, dass dieses Sportpony auf jeden Fall und ganz bestimmt als nächstes ein stundenlanges Affentheater veranstalten wird und sich mindestens gemeingefährlich aufführen, sobald wir versuchen, ihn in den Pferdeanhänger zu bekommen!

Während wir dem kleinen Schimmel mit dem inzwischen zunehmend hysterischen Augenausdruck ein Halfter anzogen und ihn in Richtung meines Pferdeanhängers führen wollten, um ihn zu verladen, prasseln gut gemeinte Ratschläge der hilfsbereiten Ex-Besitzer auf uns ein:

"Nicht am langen Strick führen, jetzt ziehen Sie ihm doch den Strick wenigstens durch`s Maul, dass er mal merkt, dass es weh tut, wenn er Faxen macht!"

"Besser noch wäre eine Hengstkette!"

"Haben wir denn noch irgendwo eine Longe, der weigert sich garantiert, in den Hänger zu gehen, wenn wir ihn nicht seitlich und hinten begrenzen!"

"Eine Gerte brauchen wir!"

"Nein, besser eine richtig lange Peitsche, wenn er austritt, damit er keinen verletzen kann!"

Mein Blick wandert vom nervös trippelnden Schimmel, der inzwischen schwitzt und panisch mit den Augen rollt, zu meiner Freundin.

Wir sind uns einig: Sie nimmt der Vorbesitzerin den Führstrick aus der Hand und schiebt sie wortlos zur Seite. Ich stecke dem skeptischen Pony eine Karotte zwischen die Zähne, streichele seine Schulter und murmele beruhigend "Alles gut, Kleiner, ganz fein so.", während meine Freundin bei durchhängendem Führstrick langsam die Rampe hoch in den Hänger hinein geht und schmeichelnd einlädt: "Komm`fein, Schätzelchen, so ist brav."

Der Schimmel steht vor der Rampe, dreht den Kopf zu seinen Vorbesitzern, blickt ihnen noch ein letztes Mal ins vor Aufregung angesichts der bevorstehenden Kampfhandlungen puterrot angelaufene Gesicht und dann zu meiner Freundin, die geduldig wartet, ob er sich entscheiden möchte, ihrer Einladung zu folgen.

Plötzlich geht ein Ruck durch das Schimmelchen, als hätte er seine Entscheidung getroffen und sich ohne Zögern für uns anstelle der Vorbesitzer entschieden, und schon marschiert er ohne zu Zögern ganz brav am durchhängenden Strick hinter meiner Freundin her in den Hänger hinein, um dort nach überschwänglichem Lob ganz artig zu warten, während wir den Hänger verschlossen und alles für die Abfahrt in sein neues Zuhause vorbereiteten.

Die Heimfahrt verlief ohne besondere Vorkommnisse, am Offenstall angekommen, haben wir den Schimmel sofort in die gefühlt endlose Freiheit einer großzügigen Weide entlassen, damit er sich nach Belieben bewegen und nach der anstrengenden Fahrt entspannen könnte.

Der Kleine trabte auch sofort ganz glücklich über die Weide, schnupperte an den neuen Pferdekollegen, zupfte hier und da ein paar Hälmchen Gras und wälzte sich schon wenige Minuten nach Ankunft tiefenentspannt, um genüßlich das juckende verschwitzte Fell mit einer angenehmen Panade aus feuchter Erde zu überziehen und danach freudestrahlend loszubocken quer über die Weide, um kurz darauf wieder seelig zu grasen.

Meine Freundin lachte bei diesem Anblick, und meinte dann etwas skeptisch mehr zu sich selbst als zu mir: "Hoffentlich läßt das Pony sich jemals wieder einfangen, war ja ganz schön viel Vertrauensvorschuss, ihn direkt auf der großen Fläche loszulassen?"

Eher zum Test als aus einer Notwendigkeit heraus rief sie den Namen des Schimmelchens: "Azuro?"

Der edle Kopf des Schimmelchens flog hoch, er wieherte und kam ohne Zögern mit eleganten Bewegungen zu uns an den Zaun getrabt, um sich vertrauensvoll neben seine neue Besitzerin zu stellen.

Meine Freundin streichelte den Kleinen kurz, fütterte ihn mit einigen Leckerlies, und entlies ihn dann wieder zurück zu seinen neuen Pferdekumpels auf die Weide.

Daraus können wir folgendes über das Verladen von Schimmelponys lernen:

Ich kann einem Schimmelpony zwar befehlen, in einen Pferdeanhänger einzusteigen, ich könnte aber anschließend Mühe haben, meine Befehle durchzusetzen. Ich erreiche viel mehr, wenn ich das Pony höflich einlade, mir zu folgen, und es freundlich darum bitte, dazu in den Pferdeanhänger zu steigen, denn mit etwas Glück habe ich dann hinterher nicht nur an diesem Tag das Schimmelpony im Anhänger, sondern auch noch für den Rest des Lebens einen neuen Freund gewonnen.

 

Eine wirklich ganz passable Hausfrau

Ich bin manchmal ein kleines bisschen neidisch, wenn ich zu Besuch bin bei Freunden oder Familienangehörigen, deren auf Hochglanz polierte kleine Stadtwohnung nicht nur piccobello aufgeräumt, sondern bis ins letzte Detail perfekt durchgestyled ist. Dann denke ich oft, welch wirklich gute Hausfrau diese Frauen doch sein müssen.

Es ist mir durchaus ein bisschen unangenehm, aber ich muß in diesem Zusammenhang leider zugeben, dass es bei uns daheim irgendwie nie so perfekt aussieht, speziell wenn Besucher unangemeldet vorbeikommen. Irgendwie habe ich Dreck & Chaos deutlich schlechter im Griff, als mir lieb ist, obwohl ich mir wirklich eigentlich immer Mühe gebe.

Natürlich müßte man fairerweise in die Bewertung einbeziehen, dass ich eben nicht mal eben kurz eine Dreizimmer-Innenstandt-Wohnung auf Vordermann bringe, sondern dass wir auf einem Hof mit über hundert Tieren leben, von denen jedes Einzelne permanent büschelweise Haare oder mindestens aber Federn in der Wohnung verliert, von dem durch Grabungsarbeiten der 6 hauseigenen Katzen aus dem Katzenklo herausfliegenden Streu und dem aus dem Pferdestall hereingetragenen Dreck an den Schuhen des allerbesten Göttergatten der Welt einmal ganz zu schweigen.

Außerdem trage ich die Verantwortung für eine Altbauwohnung mit vorsichtig formuliert üppig dimensionierter Wohnfläche, die naturgemäß allein aufgrund der Quadratmeterzahl deutlich mehr Pflegeaufwand erfordert als eine winzige Dreizimmerwohnung?

Hinzu kommt, dass wirklich gute Hausfrauen wie allen vorran meine Schwiegermutter natürlich im Gegensatz zu meiner Person aufgrund Erreichen des Rentenalters keiner beruflichen Tätigkeit mehr nachgehen, folglich den ganzen Tag lang Zeit haben zum Aufräumen, Fensterputzen, Staubwedeln, Saugen und Wischen nach Herzenslust, während ich diese haushaltsbezogenen Tätigkeiten eher so nebenbei zu erledigen versuche in den wenigen eng begrenzten Zeitfenstern, die die Versorgung der hofeigenen Tiere und meine Arbeit mit Problempferden ausser Haus mir übrig lassen.

Nichtsdestotrotz bemühe ich mich natürlich allzeit nach Kräften, eine wenigstens einigermassen passable Hausfrau abzugeben, insbesondere, wenn Besuch sich ankündigte.

An einem wunderschönen Sommertag war es dann mal wieder so weit, und mir wurde mit Grausen klar, dass der alljährliche Großangriff auf meine sowieso stets angekratzte Hausfrauenwürde unmittelbar bevorstand: Der allerbeste Göttergatte von allen würde in Kürze Geburtstag haben und kündigte diesbezüglich an, dass er wie jedes Jahr eine größere Anzahl von Verwandten und Freunden zum Abendessen einzuladen gedenke.

Ich atmete tief durch und dachte kurz daran, was für ein großartiger Ehemann er doch in den letzten Jahren gewesen war, liebenswürdig, großzügig, immer zur Stelle, wenn ich seine Hilfe brauchte. Es war definitiv nun an mir, etwas zurückzugeben, denn eine Ehe besteht immer aus Geben und Nehmen.

Es gab keinen Zweifel, ich war am Zuge: Ich mußte förmlich über mich hinauswachsen, zu der besten Hausfrau mutieren, die ich irgend sein konnte, dem allgegenwärtigen Dreck und Chaos Einhalt gebieten und die Wohnung auf Hochglanz polieren.

Ich hatte 3 Tage Zeit.

Ich muss sagen: Ich übertraf mich selbst. Ich räumte auf, alles, das gesamte Haus vom Erdgeschoss bis in den ersten Stock hoch.

Ich schwang Staubsauger und Wischmopp.

Kein Staubkorn blieb auf den Regalen, kein Fleck auf den Fliesen, keine Spinnweben in irgendwelchen versteckten Zimmerecken.

Auf dem Fußboden war kein einziges Hundehaar, kein Krümel Katzenstreu und kein Abdruck eines matschigen Stallstiefels mehr zu finden.

Ich fühlte mich großartig und war unglaublich stolz auf mich und meine Leistung, als ich am Nachmittag vor dem Eintreffen der Gäste das Essen vorbereitete, denn mein Haus war piccobello sauber auf Hochglanz poliert, wie es besser nicht hätte sein können.

Die ersten Gäste trafen nach und nach ein, dann füllten sich die Sitzplätze an dem langen Esstisch auf der Gartenterrasse immer schneller, während ich Getränke austeilte und der allerbeste Göttergatte der Welt Geburtstagsglückwünsche entgegennahm und Geschenke auspackte.

Zuletzt traf meine Schwiegermutter ein, vor deren kritischem Urteil ich sonst angesichts ihrer überragenden hausfraulichen Fähigkeiten stets erzitterte.

Angesichts meiner umfangreichen Bemühungen der letzten Tage frohlockte ich allerdings dieses Mal innerlich, als sie den Wunsch äußerte, nach langer Anfahrt zuerst im Haus die Toilette aufsuchen zu dürfen, anstatt wie üblich den überwältigenden Wunsch zu verspüren, mich mit Heulen und Zähneklappern angesichs Schwiegermutters Argusaugen auf meiner Haushaltsführung in einem dunklen Loch zu verkriechen.

Es war mir ein innerer Freudentanz, als sich spontan 4 weitere Damen aus der Verwandschaft des weltbesten Göttergatten in der Runde erhoben, während sie erklärten, sich dem Gang auf das stille Örtchen anschließen zu wollen. Überflüssig zu erwähnen, dass auch jede Einzelne von ihnen eine bekanntlich wirklich gute Hausfrau war.

Ich wurde gebeten, vorraus zu gehen und den Weg zur Badezimmertür zu weisen. Ich frohlockte, immerhin war ich felsenfest davon überzeugt, dass angesichts der Putzwunder, die ich vollbracht hatte, alle angemessen neidisch sein würden und erwartete eine wortreiche Belobigung aus dem Kreise der wohl besten Hausfrauen, die ich kannte?

Wir kommen ins Treppenhaus und ich erstarre vor Entsetzen zur Salzsäule, denn den Augen der schockierten Besucherinnen bietet sich zu meiner maßlosen Überraschung folgendes Bild des vollkommenen Chaos:

Eine meiner 6 Katzen hatte trotz reiner Wohnungshaltung seltenes Jagdglück, meine Katzen haben offensichtlich einen kleinen Vogel durch eines der katzensicheren Fenstergitter hineingezogen.

Wie könnte ich es ihnen verübeln, es sind eben Tiere, auch wenn der Zeitpunkt sicherlich mehr als ungünstig gewählt war, um ihren Jagdtrieben nachzugeben?

Sie hatten den Vogel ins Treppenhaus geschleppt und dort gerupft, weshalb überall kleine gräuliche Federn herumfliegen.

Dann hatten die Katzen den Vogel in viele kleine Stücke gerissen und diese teils gefressen und angesichts hektisch verschlungener ungewohnter Kost direkt wieder erbrochen, teils nur in Fetzen gerissen über die gesamte Länge des Treppenhauses verteilt.

Überall klebte eine unappetitliche Mischung aus Blut, Vogelfetzen und Katzenkotze auf dem Fußboden.

Offensichtlich hatten mindestens zwei der Katzen um die Überreste des Vogels gestritten und sich kräftigst gezofft, es flogen größere Büschel von rotem und schwarzem Katzenfell durch den Raum.

Bei der Jagd oder beim Streit, wer kann das schon so genau sagen, hatten sie zu allem Überfluss noch einen Blumentopf umgeworfen, weshalb eine unseelige Mischung aus Blumenerde und einer zerstörten Topfpflanze das Chaos komplettierte, während das Giesswasser aus besagtem Blumentopf eine riesige schmutzige Lache bildete. Kleine Katzenpfoten waren durch diese Lache gelaufen und hatten dreckige Katzentrapserabdrücke allüberall in der Wohnung verteilt.

Ich hatte noch Glück im Unglück gehabt, wenn sich keine Katze an den Scherben des Blumentopfes verletzt hatte, immerhin lagen auch sie überall verstreut herum.

Meine Schwiegermutter sah mich fassungslos an und flüsterte entsetzt: "Du hattest wohl sicherlich so viel zu tun, dass Du nicht mehr dazu gekommen bist, wenigstens den Eingangsbereich einmal kurz durchzuputzen, Liebes?"

Das Urteil der zweiten Dame war vernichtend: "Weißt Du, der Eingangsbereich ist die Visitenkarte einer Hausfrau ..."

Ich riss mich zusammen, bis ich innerlich völlig verknotet war, bemühte mich, tapfer zu lächeln, wies auf die Tür und erklärte mit zittriger Stimme. "Dort ist das Bad, euer Wunsch war doch, die Toilette aufzusuchen?"

Danach würdigte ich das Chaos keines weiteren Blickes mehr, drehte auf dem Absatz herum und ging wieder nach draußen zur Partygesellschaft.

Ich atmete tief durch.

Ich setzte mich auf meinen Platz direkt neben dem weltbesten aller Göttergatten, ich nahm mir reichlich von dem köstlichen Essen, was ich gekocht hatte, und genoss den Abend mit Freunden und Familie.

Ich glaube, dass es das Kennzeichen einer wirklich guten Hausfrau ist, sich zwar immer beste Mühe zu geben, aber auch mal Fünfe gerade sein zu lassen.

Ich glaube, unter dem Strich bin ich eine wirklich ganz passable Hausfrau.

 

Der allerbeste Kuschelplatz

Meine Hunde lieben weiche Liegeplätze. Wir haben daher eine Vielzahl von gemütlichen Körbchen und flauschigen Liegematten für sie, sogar Indoor- Stoffhütten haben wir für jeden Hund gekauft, aber der allerbeste Kuschelplatz von allen ist der Platz auf der Couch direkt neben mir, wenn ich abends vor dem flackernden Kamin sitzend lese, mit der Hundeschnauze auf meinem Schoß.

Dummerweise gibt es in unserem Haushalt zwar 4 Hunde, aber nur einen allerbesten Kuschelplatz auf der Couch mit Möglichkeit, die Hundeschnauze auf Frauchens Schoß abzulegen.

Logischerweise führt dies regelmäßig zu dem selbst für salomonischste Streitschlichter unlösbaren Problem, dass mehrere Hunde sich allabendlich gern auf diesem allerbesten Platz niederlassen würden, dieser Platz aber leider nur je einem von ihnen zur Verfügung stehen kann.

Als Frauchen bemühe ich mich sehr darum, mich so weit es geht aus der Fragestellung der Platzbesetzung herauszuhalten, während meine Hunde möglichst lernen sollen, sich alle Recourcen untereinander selbstständig so zu teilen, dass keiner zu kurz kommen muß.

Angesichts des Einzuges eines neuen Jungrüden hatte ich erst Bedenken, ob der rangniedere Youngster auch seine Wünsche nach Inanspruchnahme einer angemessenen Zeit auf dem allerbesten Kuschelplatz allabendlich auf der Couch vor dem Kamin geltend machen könnte?

Zu meiner Beruhigung mußte ich jedoch schnell feststellen, dass meine älteren Rudelmitglieder dem Kleinen nicht wiederstehen konnten. Wenn er ins Zimmer gehopst kam, beim Anvisieren der Couch feststellen mußte, dass der angestrebte Kuschelplatz besetzt war, und dann unvermittelt in laut jaulendes Weinen und wehklagendes Gejammer ausbrach, als ob alles Elend dieser Welt über ihm zusammenbräche, konnte an

 

Dumme Hühner

Dem Huhn an sich wird im Allgemeinen nachgesagt, kein besonders kluges Tier zu sein, genaugenommen werden Hühner von den meisten Menschen landauf, landab für recht dumme Geschöpfe gehalten.

Ich selbst bin inzwischen anderer Meinung.

Eines Besseren belehrt wurde ich an dem Tag, an dem ich mich bereit erklärte, zwei große Seidenhähne und eine kleine Zwergseidenhenne aufzunehmen von jemandem, der sie in dieser unglückseeligen Konstellation aus Bruteiern selbst gezogen hatte und nun nicht länger halten konnte.

Den roten Hahn nannte ich sofort Hermeland und den schwarzen Hahn Hathugard, die kleine Henne sollte Elsbeth heißen.

Vor Abgabe wurde ich explizit darauf hingewiesen, dass die Hähne Brüder seien, zwar optisch prächtige Tiere, aber leider auch rotzfreche Machos und von nicht geringer Angriffslust, ärgerlicherweise dabei seit Jahren sehr erfolgreich, da sie stets im Team agierten.

Die beiden brutalen Draufgänger hätten sich über die Zeit immer mehr darauf spezialisiert, ihr Vergnügen darin zu suchen, die kleinere und daher stets unterlegene Elsbeth in eine Ecke zu treiben und zu verletzen. Aufgrund immer schwerwiegenderen Verletzungen hätte man die arme kleine Henne zuletzt immer durch ein Gitter von den Rowdys trennen müssen.

Ich selbst konnte zu diesem Zeitpunkt nur hoffen, dass es aufgrund der großzügigen Platzverhältnisse in meinem Hühnerauslauf der Zwergin besser gelingen würde, den Hähnen aus dem Weg zu gehen, so dass vielleicht hier mit etwas Glück eine friedliche Koexistenz möglich sein könnte?

Um meine alteingesessene Hühnergruppe fürchtete ich angesichts des Einzuges der beiden frechen Hähne weniger, denn während die kleine Zwergseidenhenne kaum 500 Gramm auf die Wage brachte, die beiden Seidenhähne je etwa anderthalb Kilo wogen, waren in meiner bestehenden Hühnergruppe durchaus auch Gewichtsklassen von deutlich über 3 Kilo bei Maranhenne Petronella, Grünleger Agatha, Lachshuhn Bartholdis und der Sperberhenne Gülda vertreten.

Die Transportbox, die ich zuerst öffnete, entließ die kleine Elsbeth in die Freiheit des Hühnerauslaufes. Etwas unsicher schaute sie sich um, trippelte auf ihren kurzen Beinchen nach hierhin und dorthin, bespähte neugierig ihre neuen Hühnerkolleginnen, blieb aber sicherheitshalber auf Distanz.

Danach setzte ich die beiden Randalebrüder Hathugard & Hermeland aus ihren Transportkörben raus in den Hühnerhof. Die beiden schüttelten kurz das Federkleid auf, warfen mir einen mißbilligenden Blick zu, wie um mich zu tadeln angesichts meiner Dreistigkeit, sie ungefragt hochzuheben. Dann marschierten sie sicheren Schrittes los, um sich selbstbewußt umzuschauen und das neue Territorium samt Bewohnerinnen in Besitz zu nehmen.

Ihr Blick fiel zuerst auf Gülda, die zufrieden nach Würmchen scharrend ihren Weg kreuzte.

Die beiden Machos waren sich sofort einig, dass Gülda ein geeignetes Opfer darstellen würde. Sie rannten auf Gülda los, gewillt, sie in die nächste Ecke zu treiben.

Womit sie nicht gerechnet hatten, war, dass Gülda aufgrund ihrer Größe deutlich wehrhafter war als ihr bisheriges Opfer Elsbeth. Güldas schrie ihre Empörung laut heraus, ihr kräftiger Schnabelhieb traf die beiden wie der Schlag eines Vorschlaghammers.

Hathugard prallte zurück, taumelte dabei gegen die gemütlich in der Sonne ruhende Bartholdis, die entrüstet hochfuhr und sowohl ihm, als auch dem inzwischen ebenfalls vor Gülda fliehenden Hermeland rechts und links kräftige Hiebe versetzte.

Hathugard und Hermeland flohen unter einen morschen Weidenstamm, völlig baff vor Erstaunen, dass es tatsächlich Hühner gab, die sich wehrten und die kräftiger waren als sie, die sie doch sonst immer der kleinen Zwergseidenhenne Elsbeth himmelhoch überlegen gewesen waren und sich jede Frechheit hatten herausnehmen können?

Die kleine Elsbeth hatte zwischenzeitlich vorsichtshalber ganz hoch oben auf einer Trockensteinmauer Platz genommen und aus sicherer Entfernung heraus mit großen Augen beobachtet, was passiert war.

Nach einem Moment kam sie herunter, um ihren Weg über die Wiese fortzusetzen und dabei nach leckeren Ameisen zu scharren, immerhin hatte sie nach der langen Autofahrt Hunger.

Dabei trippelte sie in Sichtweite der beiden Hahnenbrüder vorbei, die sich sofort einig waren, das angekratzte Selbstbewußtsein damit aufzubauen, sich auf ihr wohlbekanntes Lieblingsopfer zu stürzen, sobald es in Reichweite kam.

Die kleine Elsbeth sah die aggressiven Machos auf sich zustürzen, ein Anblick, der sie sonst mit Angst und Schrecken erfüllt hatte. Doch zum ersten Mal rannte sie nicht kopflos weg, sondern flitzte laut schreiend hinter die in ihrer Nähe sitzende dicke schwarz-orange Maranhenne Petronella.

Als Petronella sich erstaunt über das Getöse umdrehte und zwei in aggressivster Manier auf sie zustürzende Hähne sah, fackelte sie nicht lange, sondern nutzte ihre überlegene Körpermasse aus, um den beiden Unruhestiftern derart die Flügel um die Ohren zu schlagen, dass diese auf dem Absatz kehrt machten und ihr Heil in der Flucht suchten.

Dummerweise rannten die überforderten Hähne dabei ausgerechnet mitten in die Gruppe der Freundinnen Agatha, Bartholdis und Gülda.

Bartholdis und Gülda hatten wohl bisher nicht den schmeichelhaftesten Eindruck von den beiden Brüdern gewonnen, und angesichts dieser neuen Unhöflichkeit platzte den beiden sonst durchaus gemütlichen Damen gewaltig der Kragen. Wie die Furien gingen die 4 großen Hennen auf die beiden kleineren Hähne los und verpassten ihnen gemeinsam eine ordentliche Abreibung.

Selbst die kleine Elsbeth traute sich nun, nach den in ihre Schranken gewiesenen Hähnen zu picken, obwohl diese sie im alten Stall immer so geängstigt hatten.

Am Ende saßen die beiden Hähne den Rest des Nachmittags sehr kleinlaut unter einem Holunderbusch am allerletzten Ende des Auslaufes.

Als sie sich wieder hervortrauten, würdigten die Hennen die beiden Brüder zuerst keines Blickes.

Doch offensichtlich hatten die beiden ihr bisheriges Verhalten gründlich überdacht und waren zu dem Entschluss gekommen, dass man mit Höflichkeit besser fährt als mit Krawall.

Denn von Tag an überboten sich Hathugard und Hermeland förmlich mit Nettigkeiten gegenüber den Hennen, kaum hatte der eine ein paar leckere Käferchen gefunden und lockte: "Möchten die Damen vielleicht diese Delikatessen kosten, die ich extra freigescharrt habe für meine Mädels?", rief schon der andere "Wer möchte den Regenwurm fressen, den ich aus dem Boden gezogen habe?"

Und so war es zu guter Letzt friedlich im Hühnerstall am Ende dieses und am Ende jedes Tages, immer wenn ich kam, um allabendlich die Hühnerklappe zu schließen, denn Hathugard und Hermeland saßen auf den Schlafstangen, und rechts und links neben ihnen kuschelten sich die Hennen dicht an dicht an ihre Seite, um alle nebeneinander als große glückliche Hühnerfamilie zu schlafen.

Immer wieder jedoch fragte ich mich bei diesem Anblick, wieso wir Menschen diese Tiere als dumme Hühner bezeichnen - angesichts der Tatsache, dass eine kleine Zwergseidenhenne nach ihrem Einzug auf unseren Hühnerhof keine 5 Minuten gebraucht hat, um zu begreifen und für sich auszunutzen, dass Männer sich durchaus höflich verhalten können, wenn alle Hühnermädels gegen sie zusammenhalten, während die Frauen meiner eigenen Spezies bis 1968 gebraucht haben, bevor wenigstens einige wenige von uns diese Idee hatten?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hinweis für Gedönsräte, Besserwisser und andere Rechtsverdreher:

Auch wenn die auf dieser Website geschilderten Erlebnisse mit Tieren noch so real klingen mögen, so entspringen alle erwähnten Menschen selbstverständlich nur meiner Phantasie und beruhen keinesfalls auf realen Personen  ;-)

 

 

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